Eine wundersame Suche nach Inspiration

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Von Barbara Campiche. Leere, nichts als Leere, erwartet mich an diesem regnerischen Samstagmorgen. Viel hatte ich mir vorgenommen für diesen Tag. Seit Tagen. Mein Blog-Beitrag zur Tagundnachtgleiche wartet darauf, mit einer Botschaft gefüllt zu werden. Aber da ist nichts. Mein Kopf fühlt sich nur kopf-los an. Nichts regt sich in mir. Ich denke, es ist noch früh am Tag. Noch ist nicht die Zeit, aber sie wird kommen. Und ich beschliesse, eine Denkpause einzulegen.

Da öffnet sich in meinem Körper ein Raum unterhalb des Sternums und füllt sich, zu meinem Erstaunen, mit Aufmerksamkeit. Ich spüre diese Aufmerksamkeits-Energie ganz deutlich. Daraus ertönt eine leise, sehr, sehr leise Stimme.

«Ich kann einfach nicht mehr.»

Ein bisschen erschrocken horche ich auf. Ich kenne sie doch, diese Stimme. Wie lange sie schon in mir schlummert. In ihrer sanften und leisen Art mich zu wecken, ist sie unermüdlich. Weil ich gerade so sehr mit Aufmerksamkeit gefüllt bin, kann ich mich ihr unmöglich entziehen. Ich bleibe fokussiert und folge ihrem Ruf. Nichts wird mich davon abhalten.

Die beiden Bussarde, die gestern – trotz des Sturms – ihre Kreise am Himmel zogen, tauchen auf. Ich frage: «Nehmt ihr mich mit?» Und sie holen meine Seele und entschwinden mit ihr in den Wolken.

Der Raum in mir wird immer weiter und grösser. Eine absolute Klarheit erfüllt ihn. Und der Raum wächst über mich hinaus in das Unendliche. Ich fühle es, das Unendliche. In seiner glasklaren Präsenz. Die beiden Bussarde stupsen mich ganz zart an: «Sieh doch!» Und wahrhaftig, ich seh’s.

In der Tiefe der Unendlichkeit fliesst ein kobaltblauer Fluss. Die Ewigkeit.

Das Erkennen dieses Zusammenwirkens berührt mich zutiefst. Die Zeit – das Unendliche – und das Sein – das Ewige – bilden einen Raum, eine Dimension. Das Lineare hat seine Tore geöffnet.

Plötzlich bewegt mich ein Gedanke. Mein Kopf hat ihn mir geschickt. Während eines vorweihnachtlichen Gesprächs in einer freundschaftlichen Runde stand die Frage im Raum, was sich die Einzelnen für das 2023 wünschen. Ich hatte mir gewünscht, die Zeit möge ihre Linie räumlich öffnen. Gleich einem Netz, das in alle Richtungen auseinandergezogen, durch die geöffneten Zwischenräume, dimensional wird.

Nun kreisen die Bussarde in meinem Kopf und formen Erinnerungen meiner Seele zu Worten. Wieder öffnet sich ein Raum. Auch dort bewegen sich die Bussarde, und sie treffen sich präzise in der Mitte des Raums. Schnabel auf Schnabel gerichtet. Wie die Spitzen der Zeiger einer Tafelwaage, wenn in beiden Schalen exakt gleich viel Gewicht liegt.

«Wisse», übersetzen die Bussarde die Sprache der Seele: «die Zeit der Tagundnachtgleiche ist die Zeit, in der sich die Kräfte in ihrer vollkommenen Ganzheit präzise partnerschaftlich verbinden.»

Und genau in der Mitte ihres Zusammentreffens zeigt sich erst ein roter, dann ein goldener Faden. Der Faden wächst und wächst. Die Bussarde folgen ihm und mit ihnen meine Seele. Über einem hohen Berggipfel bleiben sie in der Luft stehen. Rufen mich, meine Seele, in ihre Mitte. «Schau!»

Und meine Seele sieht ihre Heimat. Sie weiss es genau, denn sie erinnert sich an den Tag ihrer Geburt. Die Urkraft allen Seins hat sie aus sich hervorgebracht.

Eine Welle von unendlicher Geborgenheit durchdringt mich. Die Welle hat eine unvorstellbare Dimension. Sie erfasst auch meinen Kopf, verschlingt ihn, schlägt um und spült den Kopf zurück. Dann verlässt sie mich wieder.

Weit weg sind die beiden Vögel noch unscharf zu sehen. «Hast du verstanden?», fragen sie mich aus der Ferne in ihrem eindringlichen Pfeifflaut.

«Ja, ich habe verstanden. Ich bin geborgen im All-Eins-Sein.»

Eine grosse Freude zieht in meinem Kopf ein. Glück und Frieden folgen. Und dann die grosse Stille.

Das Wunder ist geschehen.

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2 Kommentare zu “Eine wundersame Suche nach Inspiration
  1. Evelin sagt:

    Liebe Barbara, es ist so gut, dass immer mehr Menschen diesen Raum entdecken und lernen, ihn aktiv zu öffnen und zu halten. Das ist das eine. Und dann folgt – solange wir Menschen und in diesen Körpern sind – das andere, das nach einer solchen Offenbarung oft nicht gesehen werden will und kann. In der Advaita-Szene spricht man von der „dunklen Nacht der Seele“. Gemeint ist das Absteigen der Bussarde, hinab in die dreidimensionale Ebene mit ihrer linearen Zeit und das Erlernen, das UND bewusst zu leben. Hier auf Erden mit all den menschlichen Gegebenheiten. Ich wünsche Dir eine gute Landung UND weiterhin guten Flug.

  2. Danke für deine schöne Erläuterung, liebe Evelin.

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