Fredrik Backman – Freudige Entdeckung eines schwedischen Geschichtenerzählers

Lesezeit 4 Minuten –

Selten, wirklich kaum jemals folge ich Empfehlungen, Werbung oder Produkthinweisen. Konsequent ignoriere ich, was ungefragt als bunte Flutwelle meine Aufmerksamkeit am Bildschirm fangen will. Einmal aber hab ich vor kurzem eine Ausnahme gemacht. Eine einzige. Meine Intuition sagte mir, da ist was. Schau mal. Es war ein Buchcover. Der Titel: „Ein Mann namens Ove“. Und so nahm der Schwede Fredrik Backman in meinem Leben Platz. Seine Geschichte dieses Ove, der einen schwedischen Allerweltsnamen trägt, erschien in Schweden 2012. Elf Jahre später nun las ich sie. In der gelungenen deutschen Übersetzung von Stefanie Werner. Ich lachte. Staunte. Freute mich an Fredrik Backmans Erzählen, dem Rhytmus seiner Sprache, seinen Wortbildern, seinem eigenwilligen, tiefen Schatz kreativer Vergleiche. Und seinem wunderbar feinen Humor. Er selbst sagt von sich, es sei nicht gut darin, Materie, Orte und ähnliches zu beschreiben. Das spielt folgerichtig auch keine große Rolle in seinem Erzählen. In der Beschreibung innerer menschlicher Regungen, von Mienenspiel wie Körpersprache erweist sich allerdings – und das wohl nicht nur für meinen Geschmack – seine wahrlich außergewöhliche Kunst.

Sein Erzählen gebirt sich aus den tief inneliegenden Bewegungen der Menschen, deren Geschichte er erzählt. Aus ihrem Erleben, ihren Erinnerungen, ihren Brüchen und ihren mäandernden Wegen durchs Leben. Ihrem Tun und ihrem Lassen. Er malt manch skurile Verhaltensweisen, innere wie äußere seiner Roman-Figuren so lebendig, dass das Wort Figur gestrichen werden muss. Nur, wie nenn ich sie dann? Protagonisten? Geschenkt, das ist so verkehrt wie Figuren. Ich will sie „seine Menschen“ nennen. Er erzählt von ihrer Skurilität. Ihren scheinbar kleinen Abenteuern, die immer große sind. Ihr Leben eben. Erzählt all dies getragen von einer großen Liebe. Das ist raumfüllend, wunderbar, warmherzig, lebendig. Meine Begeisterung darüber ist groß. Fredrik Backman ist einer von denen, die machen, dass ich mich lesend auf diesem Globus verbunden und zuhause fühle. Seine Bücher machen das mit mir. Da entsteht Heimat, Verbundenheit, Gück.

Bisher habe ich drei seiner Bücher gelesen. Seinen Roman-Erstling, jenen„Mann namens Ove“. Und die miteinander verbundenen Romane „Oma lässt grüßen und sagt es tut ihr leid“ und „Britt-Marie war hier“, das die sich anschließende Geschichte jener Britt-Marie erzählt, die in „Oma lässt grüßen“ ihren ersten Auftritt hat.

Das Wunderwerk „Oma lässt grüßen und sagt es tut ihr leid“ gesellt sich zur feinen Reihe meiner ganz besonderen, allerliebsten Lieblingsbücher. Zum Wiederlesen, wann immer meine Seele sich nach Trost, Zuspruch, Heimat UND Humor sehnt. In meiner inneren Vorstellung sehe ich Michael Ende, den Schöpfer der „Unendlichen Geschichte“ sich verneigen vor seinem jungen Kollegen Fredrik Backman. Vor dessen hoher Begabung voll überbordender Kreativität.

Warum ich ihn einen Geschichtenerzähler nenne? Weil er selbst sich weder als Schriftsteller noch als Autor betrachtet. Er sagt von sich, er sei ein Geschichtenerzähler. Ich finde, das ist auf eine besondere Art wahr. Und zeichnet ihn aus. Mein Glück, dass er seine Geschichten schreibend erzählt. Und sie sich als Buchausgaben und kongenialen Übersetzungen bis in mein Leben geworfen haben.

Fredrick Backman vermag es grandios, Abenteuer zu beschreiben. Und schöpft in seinem literarischen Ausdruck immer aus dem richtigen Leben, auch aus seinem eigenen. „Anxious People“, so die britische Ausgabe seines Romans „Folk med ångest“ heißt in der deutschen Ausgabe irgendwie irreführend „Eine ganz schlechte Idee“. Seine tief eigene Erfahrung auch mit Krise, mit Not und Zusammenbruch macht unter anderem die Qualität seines so hoch kreativen Erzählens aus. Er ist einer, der sich berührbar zeigt, der tiefes Berührtsein Kern seiner Geschichten sein lässt. Eine Qualität, die wir alle so notwendig brauchen, genießen, herbeisehnen. Das Ganzsein in all unseren Facetten. Das Heilwerden mit all unseren Brüchen. Fredrik Backmans Menschen inspirieren dazu. Wärmen das Herz. Trösten und heilen. Womöglich über die Zeit des Lesens hinaus. Sie öffnen in uns Räume fürs Lieben all unserer eigenen Skurilitäten. Und derjenigen um uns herum. In Verbundenheit.

Und fürs Lachen – inmitten all unserer Herausforderungen.

Kleine Notiz-Sammlung:

Die Björnstadt-Triologie von Fredrik Backman liest sich folgerichtig, aber NICHT notwendigerweise in dieser Reihenfolge: „Stadt der großen Träume“, bzw. in ihrer Neuausgabe: „Björnstadt“(Bd. 1),„Wir gegen euch“ (Bd. 2) und „Die Gewinner“ (Bd. 3)

Fredrik Backmans deutschsprachige Buchausgaben in Hörbuchfassungen eingesprochen von Heikko Deutschmann

Fredrik Backmann, „Britt-Marie war hier“, Mein Leseerlebnis: empfand den ersten Teil bis etwa Seite 180 als bissl spannungsarm, las weiter. Und wurde sehr belohnt. Bis zum Schluss las ich erfüllt von freudigem Staunen und Genießen. Dies als Ansporn, falls der Funke nicht gleich überspringt.

Es gibt eine ganze Reihe, teils englischsprachiger Verfilmungen diverser Bücher von Fredrik Backman. Die mich nicht rufen, da ich den Raum, den seine vielfältige Erzählkunst beim Lesen in mir entstehen lässt, als etwas sehr Kostbares genieße. Das ich nicht mit dem Erleben seiner Geschichten aus filmischer Erzählperspektive überlagern will.

Hinweis für Film-Fans: Nach der schwedischen Erstverfilmung von „Eine Mann namens Ove“ gibt es jetzt auch eine neue US-amerikanische Verfilmung unter dem Titel „Ein Mann namens Otto“.

Fredrik Backman in Conversation with Amy Jo Burns: A Book Brunch event

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Miriam Licht
Miriam Licht

4 Kommentare

  1. Liebe Frau Licht,

    Ich mag Ihre Entdeckungen, Ihre Beschreibung derer, das feine Darbieten von Schätzen die Ihnen in‘ s Leben spazieren.
    Ich bin sehr dankbar das Sie genau so Menschen hervorheben und Ihre Werke mit uns teilen. Es muß sehr schön in Ihnen sein das Sie soviel sehen dürfen.

    Herzliche Grüße an Sie!

    • Lieben Dank, Diane für’s Freude Teilen! „Es muss sehr schön in Ihnen sein“ hat mich zu Tränen gerührt. Staunend schau ich nach innen. Und beginne zu ahnen, das könnte wahr sein. Segensreich, zum liebevollen Blick auf mich selbst so liebevoll von außen angestiftet zu werden. Was für ein Geschenk!

  2. ich habe zuerst den Film gesehen „Ein Mann namens Ove“ und mich in diesen Menschen verliebt. Das Buch kam Jahre später über einen offenen Bücherschrank zu mir und ist seitdem eines meiner Lieblingsbücher. Bei keinem anderen Buch habe ich gleichzeitig so viel gelacht und geweint.
    Aufgrund deines Artikels werde ich mir nun die anderen Bücher von Fredrik Backmann kaufen und freue mich jetzt schon darauf lachen und weinen zu können. Fredrik Backmann schreibt so feinsinnig, hat einen ureigenen Schreibstil und einen so liebevollen Blick auf die Menschen. Danke fürs Erinnern.
    Ganz viel Liebe Birgit

    • Oh, wie schön, Birgit! Dank dir auch – für deine Wegbeschreibung der Freude am „Mann namens Ove“. Freu mich, dass da ein verwandtes Erleben ist in dir im Genießen von Fredrik Backmans Erzählkunstwerk. Auch mal ich mir nun aus, dass ich womöglich doch eines Tages die schwedische „Ove“ Verfilmung anschauen könnte – im Wissen, dass sie dir fein genug erzählt ist, um sich in diesen Menschen zu verlieben. Schön zu wissen!

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