Poesie auf Reisen – Rose Ausländer „Mai II“
Kürzlich begegneten mir ein besonderes Zitat, die wunderschönen Zeilen Es ist Zeit sich zu freuen / an atmenden Farben / zu trauen dem blühenden Wunder Ich war hingerissen. Und entdeckte, dass diese Worte einem Rose Ausländer Gedicht zugehören. Da ist es also, so dachte ich. Endlich, der neue literarische Hingucker für mein Fenster, das über Jahre hinweg mit einem kleinen philosophischen Text zum Verweilen eingeladen hatte. Und das nun zu einer neuen Freude für Vorübergehende werden konnte. Aber es kam anders.
Ich begann zunächst damit, den Text zu setzen für den geplanten großen Ausdruck fürs Fenster. Spielte mit der Schriftgröße. Und es brauchte eine stimmige Schrifttype. Die war dann, so schien es, auch gefunden. Eine spielerisch fließende Schreibschrift einer – als Handschrift – allmählich aussterbenden Art. In meiner Freude und Begeisterung begann ich noch im Arbeiten am Schriftsatz das Gedicht zu teilen mit anderen, las es spontan meiner Tante am Telefon vor.
Dann warf sich zu meine Überraschung der entstandene Ausdruck an den Ort, an dem ich mir Liedblätter ins Bild setze, um mich vertraut zu machen mit Neuem. Zum „innwendig“ Lernen, wie es die Märchenerzählerin damals, im Kindergarten meiner Tochter genannt hätte. Denn ja, darum ging es jetzt: es vom Papier und aus dem leise und laut Lesen ins innere Hören, ins innere vertraute Sein wachsen zu lassen.
Der Ort ist meine Küche, überm Spülbecken. Da hängt manchmal lange nichts. Aber dann eben: Neues, das mein Herz freut und zu mir in mein Inneres Repertoire hineinwachsen will. Und zu meiner Überraschung jetzt also dieses Gedicht. Bei Spaziergängen mit meiner Nachbarin wurde sie die Erste, der ich es vortragen – wollte. Mit Hindernissen. Denn was im trauten Kämmerlein schon stabil gewusst ist, hat die Neigung im Lampenfieber des „Auftritt“ flugs in der Versenkung zu verschwinden. Also, Ruhe bewahren. Weiterüben.
Und dann erlaubte ich mir, bei der nächsten Gelegenheit des Vortrags die Augen zu schließen. Und so begann es allmählich zu gelingen. Mehr und mehr fand ich meine stimmlichen Ausdruck für diesen Freuden“gesang“. Sprechend aus dem Herzen mit dem Ausdruck meiner lebendigen Stimme. Anfänglich hatte ich in der Begegnung mit diesem Gedicht den Impuls, es zu vertonen. Auch das war eine Freude, mit der ich mich wiederholt improvisierend befasste. Doch es sollte sich zeigen: das herzlebendige, sprechende Teilen von Rose Ausländers Poesie über den Monat Mai ist mir zum neuen Feld des Freude-Teilens geworden.
Inzwischen wage ich gelegentlich auch hie und da, mir Unbekannte damit zu beschenken. So wundersam und schön. Das ist mir das Liebste für jetzt. Ein Geschenk über die Zeiten hinweg von der großen Dichterin, das da in mir lebendig wird. Und Berührung, Freude, Kontakt in Menschen entfacht.
Wenn ich im Beschließen des Vortrags die Augen wieder öffne und die leuchtenden Gesichter der Lauschenden sehe, wird mein Herz weich, weit und frei. Erfüllt von reiner Freude, purem Sein.
Was ich ins Fenster hängen werde zum Verweilen für Vorübergehende? Ich weiß es noch nicht und lass mich überraschen. Es wird sich zeigen. Inzwischen genieße ich mein weiteres Entdecken dieses neuen Raums der Begegnung.
Von Herz zu Ohr.
Wunderbar
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Rose Ausländer, die genau heute, am 11.5. allerdings 1901 geboren wurde – Danke für den Hinweis einer newslichter-Leserin dazu! Das Leben dieser ungewöhnlichen Frau wird bald nochmal ein Extra-newslicht
Pure Magie, diese Veröffentlichung zum 122sten Geburtstag der Dichterin! Rose Ausländer zu entdecken ist ein Fest. Ich staune dieser Tage, wieviele Menschen von ihr zum ersten Mal hören. Amüsantes Erlebnis vor Jahren: ich frage in einer Berliner Stadtbibliothek nach Büchern der Dichterin. Die junge Frau am Tresen sieht mich etwa so irritiert an, als hätte ich sie darum ersucht, ein Auto zu kaufen. Da nickt ihr die ältere Kollegin zu, wendet sich zu mir und sagt: wir haben derzeit eine Ausstellung über Rose Ausländer. Die befand sich etwa vier Meter entfernt im selben Raum. Aber ja, es ist so: wie könnte mensch je alle AutorInnen, Dichterinnen und Denker kennen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das macht die Entdeckungen ja so kostbar. Und das Teilen zur gemeinsamen Freude!
Liebe Miriam!
Kaum vorstellbar, aber auch ich höre heute das erste Mal ihren Namen – mag damit zusammenhängen, dass ihre Gedichte nicht in die curricularen Vorstellungen unseres Bildungssystems passen – ich für meinen Teil werde mich ihr zuwenden und freue mich schon darauf.
Herzensgrüße
Imke
DANKE –
für die “ innwendige “ liebevolle Federführung!!!
Viola
Miriam, welch wunderschöne Gewohnheiten Du hast !
Ihr Lieben, liebe Diane, Bettina, Imke, Viola und Evelin, wie schön von eurer Freude, eurem Berührtsein zu wissen! Und den Ungenannten, die uns Rose Ausländers Geburtstagsfeier erst bewusst machten: lieben Dank für diese überraschende, herzwärmende Einsicht. Sonnengrüße, Miriam