Piratensender: Die Stimme des Friedens

Foto: Abie Nathan © NDR/AP/Hans Pinn

Foto: Abie Nathan © NDR/AP/Hans Pinn

Vielleicht braucht es so eine Aktion jetzt mehr denn je: Ein Mann und sein Traum von einer heilbaren Welt geht mit einem Piratensender auf Tour. Das Leben des außergewöhnlichen Friedensaktivisten Abie Nathan (1927 – 2008) aus Tel Aviv. Als ehemaliger Kampfpilot und später überzeugter Pazifist, lebte er nach dem Motto: „Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.“ Mit einer Handvoll Freiwilliger machte er sich auf in die Krisenregionen seiner Zeit: Naturkatastrophen, Hungersnöte, Kriegsschäden – Abie Nathan verließ sich nicht auf Organisationen, sondern mobilisierte Freiwillige und Sponsoren, half spontan und unbürokratisch.

Sein persönlicher Charme und die Leidenschaft für seine Sache öffneten ihm die Türen bei damals prominenten Künstlern und Staatsmännern. Mit ungewöhnlicher Direktheit und überraschenden Gesten setzte er maßgeblich den Aussöhnungsprozess zwischen der arabischen Welt und Israel in Gang. Legendär ist sein Piratensender „The Voice of Peace“, der von 1973 bis 1993 „von irgendwo im Mittelmeer“ neben moderner Popmusik Friedensbotschaften in den Mittleren Osten sendete, unterstützt von internationalen Musikgrößen jener Zeit: John Lennon, George Harrison, Gloria Gaynor, Joan Baez oder Peter Seeger. Abie Nathan hatte jedoch immer mehr als Israel im Blick: Ihm ging es um die ganze Welt und um jeden einzelnen Menschen darauf. Anlässlich seines Einsatz bei der Hungersnot im afrikanischen Biafra (1969) sagte er in einem Interview: „Es ist einfach die Pflicht eines jeden menschlichen Wesens, hierherzukommen und zu helfen.“

Yoko Ono, Zubin Mehta, Michael Caine, Shimon Peres, Daniel Barenboim, viele Prominente, internationale Weggefährten aus Politik und Kultur: Mit ihren Erinnerungen und Einschätzungen entreißt der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmregisseur Eric Friedler (u. a. „Aghet – Ein Völkermord“, „Der Sturz“, „Ein deutscher Boxer“) Abie Nathan dem Vergessen und entdeckt für die Nachgeborenen nicht nur einen großen Freund der Menschen, sondern auch einen unermüdlichen Ideenproduzenten, charmanten Bohemien und einfallsreichen Unternehmer. Denn es war Lebemann Abie Nathan, der den Hamburger nach Israel brachte, und sein Lokal „Café California“ war quirliger Treffpunkt für die junge, angesagte Szene der wachsenden Metropole Tel Aviv.

Eric Friedler folgt filmisch mit einem innovativen Einsatz von dokumentarischen Fotos und sorgsam recherchierten Archivbildern der verschlungenen Biografie von Abie Nathan quer über den Erdball. Begleitet von dem begeisternden Sound der Musik der 60er, 70er und 80er Jahre erleben die Zuschauer die vielen Wendungen eines Ausnahmelebens: Im Jahr 1966 flog Abie Nathan in einer spektakulären Aktion mit seinem Privatflugzeug „Shalom 1″ nach Port Said und raubte dem im Kriegszustand mit Ägypten lebenden Israel den Atem – zurückgekehrt wurde er prompt verhaftet. Silvester 1976 verbrachte Abie Nathan mit seinem Radioschiff auf dem Suezkanal – damals ein krimineller Akt für einen israelischen Staatsbürger. Ins Gefängnis kam er jedoch erst wieder 1991, als er sich mit PLO-Chef Arafat traf. Drei Jahre später erhielt Shimon Perez gemeinsam mit Arafat übrigens den Friedensnobelpreis. Politpoet, Menschenfreund und Musikfan: Gerade heute ist Abie Nathans Leben eine Inspiration für unsere komplexe, verwundete Welt. Eric Friedler dazu im Interview: „Abie wäre heute sicher längst in Syrien, auf den Philippinen oder auf Lampedusa.“

Erstveröffentlichung 7/2015 jetzt wieder schauen und staunen

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4 Kommentare zu “Piratensender: Die Stimme des Friedens
  1. ANGELIE sagt:

    erstes Danke Eric Fiedler, für die grossartige Sammlung und filmische Bearbeitung.

    für ABIE NATHAN tiefe Verehrung posthum 🙏
    Eine schöne Seele strahlt nach aussen in starkem Charakter, voller Leidenschaft, AGAINST ALL OODS, Mut, SENSIBILITÄT, kreative Energien, praktische Intelligenz und GENEROSITY of SPIRIT AND KINDNESS

    Danke für s Teilen 🌈

  2. Dziwior, Agnes sagt:

    So herzlichen Dank für diesen wertvollen Beitrag-ermutigend, beeindrucken-unbedingt wissenswert!

  3. Wim Lauwers sagt:

    Sehr beeindruckend, Bettina.
    <3 <3 <3

  4. eine der inspirierendsten Dokus die ich je in meinem Leben gesehen habe – das müsste GENAU JETZT nochmal ausgestrahlt werden, zur besten Sendezeit in der ARD am Sa 20.15 !!!

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