Lesefreude – Ruth Ozeki „Die leise Last der Dinge“

Lesezeit 3 Minuten –

Da Lesen einen weiten Begleitraum meines Daseins ausmacht, gibt es immer wieder besondere Begegnungen. Entdeckungen auch, die geteilt werden wollen. Müssen regelrecht. Dieser Tage hat sich so eine Beglückung ereignet, sich in mein Leben geschenkt. Während ich noch dabei war, eine liebe Freundin nach einer Herzens-Lese-Empfehlung zu fragen, lag die nächste schon für mich bereit – in meinem eigenen Bücher-Fundus zu entdeckender Lesewelten. Nur wusste ich es da noch nicht. 

In dem Moment, als ich Ruth Ozekis „Die leise Last der Dinge“ in die Hand nahm und begann darin zu lesen, war sie da, meine Lesefreude. Entfachte sich unmittelbar. Ich las und las. Genoss und war beseelt. Auf überbordend vielen Buchseiten entfaltet ihr Werk einen Raum, der außergewöhnlich ist. In seiner Machart, seiner Tiefe, seinem Beschreiben. Die Sprache, aufs feinste ins Deutsche übertragen von Andrea von Struwe und Petra Post, ist reine Freude. Die Feinheit der Zeichnung ihrer Menschen ein Genuss.

Für mich ist die hochkreative Ruth Ozeki – Filmemacherin, Schriftstellerin, Professorin für Geisteswissenschaften, Zen-Priesterin – eine reiche Neuentdeckung. In diesem Roman erzählt sie in einer stillen, tief gegründeten, herzwarmen Art von Menschen im Hier und Jetzt. Von ihrem Sein, ihren Brüchen, ihrem Weitergehen. Ihrem gegenwärtig Bleiben über alle Not hinweg, durch alle Ratlosigkeit hindurch. Die einander begegnen. Einander zugehörig sind. Inmitten des reichen Erzählraums ein Junge, seine Eltern. Eine Familie, die verwaist durch den Tod des Ehemanns, des Vaters. 

Ruth Ozekis Erzählen von der Welt, ihr so präsentes, überaus kreatives Erschaffen eines – scheinbar – von seiner Autorin losgelösten Erzählraums ist mir ein Kunstwerk. Auch weil es ein Wissen um das innere Wesen unseres menschlichen Seins in einer Wärme und Gegenwärtigkeit hält, die weit, weit sich herausbewegt aus den gerade noch üblichen Abgrenzungen, Meinungen, Bewertungen. Über uns selbst. Wie über jene „Anderen“, denen wir begegnen.

Indem mir die Schriftstellerin grandiose Schöpferin ihrer Buchwelt ist auf so vielerlei Ebenen, sind für mich ihre beinahe siebenhundert Seiten Lesewelt ein Hochgenuss. Kein Wort zuviel, keines zu wenig. Eine Geschichte, die in keine Falle tappt, die wir, üblichen Lesegewohnheiten folgend, glauben zu ahnen. Einfach wunderbar. Bewegend. Und herzwärmend.

Ergänzung: Im Lesen von „Die leise Last der Dinge“ schien in meinem inneren Horizont eine Art Verwandschaft auf, zu Barbara Kingsolvers aktuellem Werk „Demon Copperhead“. Und es zeigte sich, ich hatte Ruth Ozeki bereits erlebt, sie als sehr feine Interviewende ihrer Schriftstellerin-Kollegin gehört. Dieses Gespräch ist eine Freude. Und kann – wie nebenbei – auch Appetit auf Kingsolvers hochgelobtes neues Meiserwerk machen. An dessen Qualität gibt es für mich keinen Zweifel, auch wenn ich Demon Copperhead – noch – nicht gelesen habe. Denn Barbara Kingsolver wärmt mein Herz seit ich in Jahrzehnten ihre grandios inspirierende Kreidekreisgeschichte „Pigs in Heaven“, wieder und wieder lese. Und genieße. In ihrer deutschen Übersetzung erschienen unter dem Titel „Siebengestirn“.

Ruth Ozeki, The Book of Form and Emptiness, dt. Die leise Last der Dinge, Verlag Eisele 2022, gebunden mit Lesebändchen, auch als E-Book und Taschenbuch

Zwei große Schriftstellerinnen im Gespräch: Barbara Kingsolver & Ruth Ozeki | Demon Copperhead (FULL EVENT) https://www.youtube.com/watch?v=lDcsZ3TgqQ8

Website Ruth Ozeki https://www.ruthozeki.com/

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Miriam Licht
Miriam Licht

6 Kommentare

  1. Hallo Frau Licht,
    Ihre Leserlebnis klingt so gut, das ich mir das Buch sofort bestellt habe und mich sehr darauf freue, es zu lesen.

    • So schön, Bettina – freu mich! Ist ja in jeder Hinsicht und immer wieder eine so eigene und ganz persönliche Sache, was uns berührt, welche Geschichte uns in ihrer Erzählkunst ins reiche Leseland zu führen vermag. Da können unsere Geschmäcker so verschieden sein wie wir Menschen auch. Fröhliche Grüße von der Müritz an die Elbe

  2. Liebe Miriam, ich freue mich schon (ganz ausnahmsweise!) auf die lange Autofahrt übermorgen, weil ich dann das Hörbuch hören kann …freu, freu, freu! Dorothee

  3. Die Beschreibung des Buches nimmt mich sofort mit, und ich habe es gleich bestellt. Ich freu mich auf die Zeit, die ich mit dieser Erzählung erleben darf.
    Danke…..Lisa🪶

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