Die grauen und die bunten Tage

Lesezeit 2 Minuten –

Wenn ich gelegentlich in der Welt der Werbung lande, im Fernsehen zumal, dann scheint mir jedermensch obenauf zu sein. Ich aber bin das nicht. Zu meinem Sein gehört ein gemischtes Kartenset aus grauen und aus bunten Tagen.

Hochsensibel geboren haben auch biografische Wege mein inneres Sein beeinflusst. In meinem siebten Lebensjahrzehnt übe ich mich weiter darin, anzuerkennen, dass es das obenauf und das untendrunter gibt als Seinszustände in mir.

In der Hand hab ich das nicht. Es ereignet sich.

Und ich darf üben, loszulassen, wenn sich die Tiefpunkte einstellen. Loslassen, meine Not kontrollieren zu wollen. Loslassen auch, mich innerlich zu kasteien mit Vorwürfen, Scham, Schuld. Als hätte ich einen Fehler begangen, der mich hierhergebracht hat. Als wäre ich freiwillig hier. Absichtlich gar.

Das heftigste an diesen Tiefpunkten ist das damit verbundene Bild von mir selbst, ich sei ungenügend, verachtenswert, wertlos und verdiene Ablehnung, Ausgrenzung und Verlassensein. Es wohnt in mir. In jeder meiner Zellen, so fühlt es sich an. Verbunden mit existenzieller Angst.
Es hat lange gebraucht, bis ich mir den Ort reinen Gewahrseins erobern konnte, von dem aus sich solche inneren Meinungen, Vorstellungen und Verurteilungen über mich aufspüren lassen. Es ist ein wildes Desaster voller Ungeheuer, die ich nicht eingeladen habe. Die mir Angst machen. Und die ich nicht ausladen kann.

Ob ich lernen kann, mit ihnen zu leben, frag ich mich. Und dann fällt mir auf, ich lebe ja mit ihnen. Von jeher und bis jetzt. Und das ist, für sich genommen schon mal ein Wunder. Denn wenn wir tiefe Verzweiflung kennen, dann wissen wir, wie schmal der Grat sein kann, leben zu wollen oder eben auch nicht leben zu wollen in den Abgründen unserer Not.

Darum staune ich darüber, wie viel notvolle Zeiten ich schon durchlebt habe. Und blieb. Und weitergemacht hab mit dem Leben. Ausgerechnet in einem Augenblick als mein Dasein einmal infrage stand, konnte ich zu meiner großen Verblüffung feststellen, dass ich leben will. Ja, das will ich. Wirklich.

Und deswegen bin ich da. Und lebe. An meinen grauen und meinen bunten Tagen.

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Miriam Licht
Miriam Licht

14 Kommentare

  1. Liebe Miriam – so schön, dass du da bist! In und mit allem Bunten und Grauen und der großen Fähigkeit, viel davon in immer neue und kreative Worte zu fassen. So, dass ich mich teilweise darin wiederfinden und besser verstehen und mehr lieben lernen kann. Danke dafür und für dich. D.

  2. Liebe Miriam, danke für deine Worte. Da spüre ich tiefe Verbundenheit mit dir, gerade an grauen Tagen. Sehr wohltuend. Und sooo menschlich! Ein Heil-Sames Gegengewicht zur Selbstoptimierung und Beschönigungskultur in vielen Kanälen….
    Danke für dein Sein und Schreiben hier bei den newslichtern❣️Herzensgruß, Anne

    • Liebe Miriam, deine Zeilen berühren mich tief in meinem Inneren. Deine Worte sind meine Worte. Und genau jene „ungebetenen Gäste“ stelle ich morgen in einer Aufstellung auf. Ich möchte meine Gäste in einem neuen Licht betrachten. Gibt es die Möglichkeit sie zu meinen Verbündeten zu „machen“….
      Ich danke dir für dein dich zeigen…
      Mit tiefstem Respekt, Marion

  3. Liebe Miriam,

    …als ebenfalls hochsensibel Geborene hast du mit deinem Beitrag mein Herz und mein Sein so sehr berührt. DANKE.

    Bitte denke immer daran: Du bist ein Geschenk an diese Welt und für diese Welt.

    Herzensgrüße, Cornelia

  4. Liebe Miriam, vielen Dank für das Bild des gemischten Kartenset aus grauen und aus bunten Tagen. Ich finde mich darin wieder und spüre ein tiefes Ja zum Leben, auch wenn es so manches Mal ganz schön in mir ruckelt und rüttelt. Danke auch für deine Liebe zum Wort und dein bildhaftes Schreiben. Herzensgrüße zu dir, Alexandra

  5. DANKE, liebe Miriam für die berührenden Worte, die hilfreichen Bilder und Farben, das Teilen – mir aus der Seeele-sprechen, dein (So-)Sein und dich zeigen, leben wollen und gestalten …
    Herzensgruß, Tanja

  6. Danke, Miriam, für diesen berührenden Einblick in das Land der grauen Tage. Ich empfinde es auch als unendlich heilsam diese anzuerkennen, anzuschauen und im besten Falle reiten zu lernen, wie Wellen in einem Ozean voller unterschiedlichster Farben. Danke für dein Sein, danke für dein dich mit-Teilen.❤️

  7. Liebe Miriam, danke für dein Teilen aus Deinem Sein mit allem was ist. Da geht mein Herz in Resonanz, wie oft, wenn Freude, Humor und Schmerz in Verbindung miteinander – zum Beispiel in einem Film oder in einer Geschichte – treten. Für mich ist das in Deiner Geschichte spürbar und das ermutigt mich. Mit herzlichen Grüßen von Martha

  8. Liebe Miriam, vielen Dank für Dein Schreiben. Es könnte auch von mir sein. Fühle mich zutiefst verbunden und bin so froh dass es nicht nur mir so geht. Bin auch schon in den siebziger Jahren und manchmal denke ich mir ich müsste ja schon über den Dingen stehen.Aber nein, so geht das nicht. Mit den Höhen und Tiefen zu leben das ist wahre Lebenskunst. Wir sind wunderbare, wertvolle Menschen. Alles alles Liebe Dir von Waltraud

  9. Liebe Miriam,

    ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung, Du standest da – barfuss und leuchtend.
    Eine Weilchen später hatten wir uns zum Kreis zusammengefunden. Du schautest aus dem Fenster in den Frühling und sagtest versonnen: „Dankbar sein das die Vögel fliegen“.
    Danke für diese Worte und danke das Du da bist. ❤️
    Alles Liebe, Nadine

  10. Liebe Miriam, ich stelle mir vor, dass die hochsensiblen Seelen immer noch mit einer zarten Nabelschnur mit ihrer Sternenheimat verbunden sind. Planet Erde ist deshalb eine Herausforderung, die zu einer Überforderung führt. Hier geht es anders zu – das Licht ist zu grell, die Worte zu hart, die Geräusche zu laut. Aber wir brauchen diese feinen Seelen, die aufgrund ihrer Sensibiltät auch Mitgefühl hier verankern. Danke, dass du so mutig warst, zu kommen! Wir brauchen dich und alle anderen Hochsensiblen hier und jetzt, damit ein neuer Schritt gelingt. So sei es! Namasté, Claudia

  11. ….bin tief berührt ❤️ 🫶 ♥️ 💜…..DANKE für Dein Geschenk🎁 an uns…..für mich nehme ich auch die Einladung zum Erforschen von AKZEPTANZ als „Raum reinen Gewahrseins“ mit……

    Von Herzen,
    Dagmar

  12. Ihr Lieben alle, die ihr mit mir – und allen hier – teilt, was euch bewegt, wärmt, freut, tröstet im Lesen der „grauen und bunten Tage“. Danke Dorothee, Marion, Anne, Cornelia, Alexandra, Tanja, Britta, Martha, Waltraud, Nadine, Claudia, Nora, Dagmar! Was für ein reicher Segen an Miteinander.
    Wundersames Geschenk, mir selbst und einander dies als Wahrheit zuzusprechen – es ergeht uns verschieden. In diesen Tagen eurer Zeilen an mich hat ein tiefer Frieden in mir Platz genommen, der neu ist. Heilsam, wundervoll, erstaunlich. Lichtblick für alles, was geliebt, ermöglicht und verwandelt werden will. Atmen, weitergehen, zulassen. Dank euch, ihr Lieben alle!

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