Das Geheimnis der Langsamkeit

Lesezeit 4 Minuten –

Von Leo Babauta. Wie oft schon hast du mit Nachdruck versucht, Veränderungen in deinem Leben zu bewirken – um eine Angewohnheit zu ändern oder eine neue Fähigkeit zu lernen – und am Ende ist nichts draus geworden? Es ist nicht nur das Gute-Vorsätze-Syndrom zu Neujahr – es passiert viel zu oft und zu allen Zeiten des Jahren, dass uns die Puste ausgeht oder dass wir uns entmutigen lassen und aufgeben. Doch hier ist das Geheimnis, und ich verlange noch nicht mal 29,95€, um es dir zu verraten: Geh es langsam an.

Den meisten Menschen ist nicht klar, wie viel Kraft diese kleine Veränderung hat. Sie hilft dir, jede erdenkliche Fähigkeit zu erlernen, von Kampfkust über die bildenden Künste bis hin zu Tätigkeiten am Computer. Sie hilft, Gewohnheiten zu formen, die lang andauernd sind. Verlangsamung hilft dir, deine Aufgaben effektiver zu lösen und – ironischerweise – Ziele schneller zu erreichen.

Wenn du jemals Tai Chi (oder Tai Chi Quan) ausprobiert hast, bekannt für seine Abfolge langsamer Bewegungen und Haltungen, hast du die Kraft der Langsamkeit erfahren. Ein Effekt dieser Langsamkeit ist, dass du die Bewegungen perfektionierst. Und dein Körper passt sich dem an – ein Körpergedächtnis ausprägend, das auch dann verfügbar ist, wenn (und falls) du dich entscheidest, die Bewegungen schneller auszuführen.

Es ist als ob dein Körper und Geist durch die andauernde Wiederholung der Bewegungen einen Rhythmus ausformen. Wenn du dich schnell bewegst, entfaltest du unkontrollierte und wenig gleichförmige Bewegungen und es ist weitaus schwieriger einen Rhtythmus aufzubauen. Wenn du dich langsam bewegst, kannst du lernen, dich in genau demselben Muster zu bewegen, jedoch präziser, und ein Rhythmus wird sich ausformen. Wenn sich der Rhythmus einmal formiert hat, wird es einfacher. Er ist nun zu einer Gewohnheit geworden, zu unbewußter Erinnerung, zu einem Automatismus.

So funktioniert die Formierung von Gewohnheiten und es geschieht, ohne dass wir darüber nachdenken. Wenn wir mit dem Auto nach Hause fahren … und unser Geist ist irgendwo anders, doch trotzdem gelingt es uns, die richtigen Bewegungen zu machen um irgendwie nach Hause zu kommen … das ist ein Gewohnheitsmuster – das sind unser Geist und unser Körper, vereint in einem Rhythmus den wir formiert haben, indem wir diese Tätigkeiten schon so viele Male wiederholt haben.

Der Rhythmus formiert sich am besten, wenn wir es zunächst langsam angehen. Das gilt für alles: Sporttraining, gesunde Ernährung, kreatives Schaffen, die Schulung unserer Geduld als Eltern, Tischlerei, lesen. Langsamkeit ist das Geheimnis, das unseren Tätigkeiten Beständigkeit verleiht.

Einige Gründe, warum „langsam“ funktioniert, jenseits des Rhythmus:

1. Achtsamkeit. Wenn du etwas langsam machst, kannst du mehr Aufmerksamkeit darauf richten, was du tust. Ich empfehle sehr, dass du, wenn du dir Veränderungen vornimmst, sie achtsam ausführst, mit voller Konzentration. Dieses geschärfte Gewahrsein ist am Anfang notwendig, während du noch den Rhythmus formst. Später wird es automatisch, aber zunächst ist es alles andere als das. Du musst aufpassen und du kannst das besser wenn du es langsamer machst.

2. Du hältst dich selbst zurück. Sich zurückzuhalten wird oft als eine schlechte Sache betrachtet, aber das ist es keineswegs. Es ist das beste was wir machen können, wenn wir wollen, dass Veränderungen andauern. Wenn wir eine neue Veränderung angehen, sind wir oft voll Elan. Aber dann gehen wir bald schon auf dem Zahnfleisch und all unser Enthusiasmus ist verbraucht, wir verlieren die Motivation und Energie oder werden von etwas anderem abgelenkt.
Doch wenn du dich zurückhältst, baust du Enthusiasmus auf und hältst das Thema viel länger am Laufen – über die verflixte 2 bis 3 Wochen-Grenze hinaus, an der viele Menschen oft aufgeben. Also selbst, wenn du gleich zu Beginn 4 Kilometer rennen willst: Beginne mit gehen, dann geh-rennen (in Intervallen) und nimm dir nur eineinhalb Kilometer vor. Du wirst mehr machen wollen, doch halte dich zurück. Spare dir den Enthusiasmus für das nächste Mal auf.

3. Du lernst es richtig.
Etwas langsam zu machen bedeutet, dass du lernen kannst es richtig zu machen, gleichförmig und fliessend – und mit der Zeit, wenn es zu deiner zweiten Natur wird, wirst es auf die richtige Art tun. Die Bedeutung ist offensichtlich in einer Disziplin wie den Kampfkünsten, aber es trifft auf alle physischen Aktivitäten zu. Und jede Aktivität ist physisch (und mental).

4. Geschärfter Fokus. Wenn du etwas langsam machst, neigst du dazu, nur eine Sache zu machen. Es ist schwer, mehrere Sachen gleichzeitig zu machen und etwas zugleich langsam zu machen – Multitasking und Langsamkeit vertragen sich nicht so gut. Wenn du dich auf eine Sache konzentrierst, kannst du dich fokussieren anstatt andauernd abgelenkt zu sein. Das führt zu zunehmender Effektivität.

5. Ruhe. Langsam ist ruhiger.
Schnell ist hektisch. Geh es langsam an, um dem Chaos zu entkommen und inneren Frieden zu finden.

Diesen Artikel veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung von www.52wege.de. Der Beitrag wurde erstmals auf seiner Website zenhabits.net veröffentlicht. Sein täglicher (englischsprachiger) Newsletter bietet eine Vielzahl von wertvollen Anregungen. Übersetzung: Peter Brandenburg Lektorat: Dirk Henn.

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