Ohne die Geschichte ist alles sehr einfach

Eckhart Tolle in Hamburg 2015

Eckhart Tolle in Hamburg 2015

Sabrina Gundert erlebte einen Abend mit Eckhart Tolle. Als ich am Ende des Abends auf meinem Stuhl sitze, frage ich mich: War er wirklich da? Natürlich war er da, keine Frage. Und doch, etwas war anders als an einem normalen Vortrag, bei dem ich hingehe, zuhöre, vielleicht etwas Neues lerne und wieder nachhause gehe. Vielleicht liegt es an seiner Geschichte, die fehlte. Der persönlichen. Der Geschichte über die wir im eigenen Leben oft jahrelang nachdenken können. Die Geschichte, mit all ihren Dramen.

Die Geschichte, ohne die alles sehr einfach wird, wie Eckhart Tolle an diesem Oktoberabend vor über 2.000 Menschen im schweizerischen Langenthal sagt.
Wer Eckhart Tolles Bücher kennt, wird an diesem Abend vieles wiederentdeckt haben. Denn der Abend war Einstieg, Vertiefung und Erinnerung in einem. Zugleich: Die direkte Erfahrung jener Stille, jenes Seins, wenn wir ganz präsent sind, über das Tolle so oft schreibt.

Zugegeben, ich habe schon Freunde an Tolles Buch Jetzt! verzweifeln sehen, weil seine Sprache ihnen zu schwierig war. Doch an diesem Abend lerne ich noch einen anderen Eckhart Tolle kennen.

Einen, der mit Geschichten aus dem Leben begeistert, fast so, als wäre er der einzige Schauspieler in einem Stück mit unzähligen Personen. Und es ist spürbar, wie viel Freude er daran hat. Ja, wie er selbst (und das Publikum mit ihm) immer wieder darüber lachen muss, wie dramatisch wir das Leben erfahren, wenn wir rund um die Uhr in unsere Gedanken verstrickt sind.

Denn 90 % der Gründe für unser Unglücklichsein (oder sogar noch mehr), so Tolle, liegen nicht etwa in den Situationen, die wir erleben, sondern in den Geschichten, die wir uns über die Situationen im Kopf erzählen.

Beispielsweise dann, wenn wir, in der Warteschlange am Flughafenschalter stehend erfahren, dass unser Flug gestrichen wurde. Und die Stimme in unserem Kopf dann gleich loslegt: Was ist das denn für eine Fluggesellschaft, die den Flug streicht? Hätte ich doch bloß nicht bei denen einen Flug gebucht! Ich werde nie wieder mit dieser Gesellschaft fliegen! Jetzt werde ich zu spät zu meinem Termin kommen! – und so weiter.

Das Lachen im Publikum zeigt: Es ist eine Situation, die jeder und jede nur zu gut aus seinem und ihrem Alltag kennt.
„Ohne die Geschichte“, sagt Tolle dann, „ist alles sehr einfach: Wir stehen hier am Flughafenschalter und atmen. Das ist nicht so viel anders zu dem, was wir machen werden, wenn wir an einem anderen Ort ankommen. Dort werden wir wieder sitzen, liegen, stehen – und atmen.“

Besonders ertappt fühle ich mich auch, als Tolle davon spricht, wie oft wir im Leben doch auf den einen Augenblick warten, in dem wir alle Herausforderungen gelöst haben werden und sicher sind, dass das Leben von nun ein leichtert wird. Nur: Dass dieser Augenblick nie kommt.
Denn immer wieder gibt es neue Herausforderungen, begegnen uns neue Probleme und Dinge, die gelöst werden wollen. Und wir denken: Warum passiert eigentlich nur mir immer irgendetwas, während bei den anderen alles glatt zu laufen scheint?

Doch, wie Eckhart Tolle an diesem Abend sagt, „es liegt nicht in der Natur der Dinge, uns glücklich zu machen. Jede Lebensform im Universum wird mit Hindernissen und Herausforderungen konfrontiert. Durch diese Herausforderungen entwickeln wir unser Bewusstsein. Das Leben ist hier, um uns bewusster zu machen, nicht, um uns glücklich zu machen.“

Ein Satz, den er auch zum Schluss nochmals unterstreicht, als er sagt: „Der Sinn unseres Daseins besteht darin, bewusst zu werden. Alles andere ist zweitrangig.“ Ein Lächeln, ein Dank, zwei gefaltete Hände zu einem kurzen Namasté vor der Brust – und weg ist er wieder.
Ich sitze da und spüre sie immer noch ganz deutlich. Die Stille und Präsenz, von der Tolle immer wieder schreibt. Und auf die er zum einen, wie er selbst sagt, mit seinen Worten verweilt. Und zum anderen ist es etwas, nicht unbedingt mit dem Verstand erklärbar, das einfach in seiner Gegenwart geschieht.
Wie er sagt: Sind wir präsent, werden wir zu einer Art Leinwand für den Menschen uns gegenüber und ermöglichen es ihm, seine eigene Präsenz in sich zu entdecken.
Eine Präsenz, in der sich auch die Frage War er wirklich da? wie von selbst wieder auflöst.

Hintergrund: newslichter Autorin Sabrina Gundert erlebte Eckhart Tolle in Basel. Auf Einladung des j. Kamphausen Mediengruppe und vom Basler-PSI-Verein organisiert, war der bekannte Weisheitslehrer am 10. Oktober 2015 nach zwei Terminen in Karlsruhe und in Hamburg auch in der Schweiz zu Gast.

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2 Kommentare zu “Ohne die Geschichte ist alles sehr einfach
  1. Andrea Sulzer sagt:

    Liebe Sabrina. Ja – das habe ich auch erlebt: Und unmittelbar geht er. Fragend blicke ich zu meinem Freund – was, er geht schon? Mein Zeitgefühl mir abhanden gekommen. Für mich waren erst vielleicht 20 Minuten vergangen, seit Eckart auf seinem Stuhl Platz genommen hatte. Und dann spricht er aus diesem weiten Raum. Die Stille fängt uns alle ein. Die Wort sind da, an der Oberfläche. Was zu uns spricht, liegt dahinter. Und ja – dann plötzlich geht er. Steht auf und weg ist er. Nach über 2 Stunden natürlich sein gutes Recht 🙂 nur, bei mir stand die Zeit still… Herzlich – Adarsha

  2. Sabrina sagt:

    Liebe Andrea,

    das kann ich gut nachvollziehen! Danke dir ganz herzlich für deine Rückmeldung und dein Teilen!

    Alles Liebe,
    Sabrina

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