Die Macht der Wahrhaftigkeit

Foto: Evelin Rosenfeld

Irgendwie liegt das Thema „Wahrhaftigkeit“ in der Luft. Für mich sehr erfreulich und ein Leichtes, dieses Thema aufzunehmen. Denn die „Transformation durch Wahrhaftigkeit“ ist ja nun das, was mich, mein ganzes Forschen und Handeln betrifft und beschreibt.

Diejenigen unter Euch, die meine Arbeit und mich nicht so gut können, mögen fragen „Was hast Du denn immer mit deiner „Wahrhaftigkeit ?!“
… ja, gute Frage. Wichtig für eine sinnvolle Antwort ist wohl zunächst klarzustellen, dass ich mit diesem Wort etwas zu benennen versuche, das viel mehr ist als Authentizität, als Selbstliebe und als Aufrichtigkeit.
 Die Wahrhaftigkeit hat für mich und für alle, die mit mir in den Wdww-Prozess gehen, eine so große Bedeutung, weil sie die Art von „Bewusstheit“ ist, von der wir uns die Überwindung jedweder Gewalt, jedweder Ausbeutung und Vernichtung versprechen.

Denn Wahrhaftigkeit ist in meinem Kontext die Wahrheit der Seele. Und die Wahrheit der Seele ist – soweit ich das bis heute erkennen kann – immer verbunden, immer FÜR das Leben.

Ein Mensch, der in diesem Sinne wahrhaftig ist, liebt, achtet und sorgt für Gleichgewicht

Wie komme ich zu dieser Auffassung ?
Vor langer Zeit bemerkte ich, wie entsetzlich ich dieses „wollen“, „müssen“, „brauchen“ um mich herum fand. Die Versteckspiele, die Kämpfe, die wechselseitigen Zwänge und Bestrafungen:
Ob es nun im geschäftlichen Kontext war, wo der Einkäufer den Produzenten bis aufs Mark in einen niedrigen Preis verhandelte oder der eine Vorstand den anderen zwang, eine sachlich vollkommen widersinnige Lösung mitzutragen. Oder ob es im privaten Kontext war, wo der Ehemann sich zwischen aussichtslosen Affairen und einer katastrophalen Ehe hin- und herwand. Ob es die Trophäenjägerin war, die ihre Unzufriedenheit über maßlosen Konsum kompensierte oder der selbsternannte Guru, der zwischen schwarz bezahlten Putzjobs Satsangs gab:

All das war nicht „wahr“.
In all diesen Situationen wurde nicht gelebt – und meist auch nicht empfunden – was die Seele sagte. Stattdessen folgten die Betroffenen Reflexen – ihrer Angst, ihrer Überzeugungen – und verursachten Gewalt, Ausbeutung und Vernichtung.
Freilich habe ich nachgefragt. Freilich konnte jeder der Menschen, den ich so agieren sah, sein Handeln und seine Haltung begründen. Und die Gründe lagen immer in irgend einer Form von Mangel:
 Mangel an Spielraum. Mangel an Geborgenheit. Mangel an Übersicht. Mangel an Sicherheit. Usw….

Befreie Dich vom kollektiven Sog

Etwa 9 Milliarden Menschen auf dem Globus – Hungernde wie Übersättigte, Geschäftsleute und Vertriebene, Eheleute und Einsame – leben in Mangel.
 Den jeweiligen Mangel könnte man als mehr oder weniger „objektiv“ betrachten. Hunger ist ein objektiver Mangel, oder ? Ein zerbombtes Haus ist ein objektiver Mangel, oder ? 
Diese objektive Einordnung hat eine gewisse Relevanz: Denn wenn (sehr) viele Menschen etwas glauben, entsteht ein kollektiver Sog, der die Sicht und Verfasstheit des Einzelnen beeinflussen kann. Ein Beispiel aus deinem Alltag: Wenn Du als erzogener Mitteleuropäer an einem Werktag um 10h30 im Bademantel auf der Couch sitzt, kennst Du vielleicht diese kleine Rechtfertigungsdiskussion in Dir ? Alle arbeiten – Du (jetzt) nicht.
Wenn Du Fleischesser bist, hierzulande, oder Raucher, beschleicht Dich hin und wieder eine gewisse „trotzige Aufrichtung“ ?

Das Kollektiv erzeugt mit seinen Auffassungen und Regeln einen erheblichen Druck auf den Einzelnen. Nicht aktiv. Eher, wie eine Strömung. Es ist eine Frage persönlicher Bewusstheit, unabhängig von diesem Sog die eigene Art, die eigene Haltung zu spüren und zu leben.
(Das gilt auch für trotzige Gegen-Reflexe 😉 … )

Die eigenen Konsequenzen annehmen

Die Entkopplung von kollektiven Bewegungen und Auffassungen mag ein Symptom sein für „Wahrhaftigkeit“ – aber sie ist noch nicht ihre Manifestation.
Denn selbst wenn es uns gelingt, das Kollektiv nicht einfach nur auszublenden sondern als volle Option, als Wahlmöglichkeit wahrzunehmen, so findet sich zwischen unserer Handlung und unserer Seele noch eine ganze Menge „Mangel“:

  • Mangel aus der Vergangenheit.
… ich habe nie/immer, also ist das jetzt so…
  • Mangel aus dem Nicht-Wahrnehmen.
… das gibt es nicht / es ist halt so…
  • Mangel aus den Konzepten.
… wenn/weil es so ist, verhalte ich mich so…
  • Mangel aus dem Brauchen.
… ich habe Lust auf…/ ich brauch jetzt …

All diese Orientierungspunkte liegen an der Oberfläche unseres Bewusstseins und nehmen Bezug auf etwas außerhalb von uns selbst.
Und auch wenn dies für manchen nicht gleich erkennbar sein mag: Wenn Handeln, Bewerten, Wahrnehmen über einen Punkt läuft, der nicht voll in unserer eigenen Verantwortung und in unserem eigenen Gestaltungsraum liegt, ist es nicht-wahrhaftig.
Denn noch immer begründen wir unser Handeln und Empfinden nicht mit unserer Seele – sondern mit äußeren Umständen.

Und je nachdem, was wir mit dieser Auffassung machen, entstehen Gewalt, Ausbeutung und Vernichtung – oder eben: Wahrhaftigkeit.
Die meisten Menschen lassen sich von den oben beschriebenen Mangel-Impulsen entweder in ein Agieren treiben – also der Versuch, den Mangel zu beheben, indem sie sich „holen was sie brauchen“ – oder sie gehen in eine Abkehr, die eine trotzige oder selbstmitleidige Abgrenzung aufbaut.
Beide „Normalreaktionen“ erzeugen Schaden, innen wie außen.
Denn gelebt wird nicht die „wahre“ innere Nachricht – sondern nur eine Antwort auf sie.

Wenn ich beispielsweise das Gefühl habe, in meiner Arbeit unter Druck zu sein – durch Leistungsvorgaben, die kaum zu erfüllen sind, durch die Begehrlichkeiten meiner Konkurrenten, die sich meinen Posten einverleiben wollen… dann ist die wahre Nachricht von Innen:
„Ich fühle mich unter Druck. Die Leistungsvorgaben sind (nach meinen Maßstäben) nicht zu schaffen (ohne zu hudeln, ohne zu erpressen, ohne zu stehlen). Und bei all dem habe ich noch Angst, dass Du mir meinen Platz streitig machen willst.“

DAS ist die WAHRE Nachricht.
Wie viele Menschen kennst Du, die sich in der beschriebenen Situation SO äußern würden ?
Und wie viele, die gegen ihre eigenen Überzeugungen versuchen werden, die Leistungsvorgaben „hinzubiegen“? Und den Konkurrenten „kaltzustellen“ ?
 Oder – Alternative 2 – wie viele Menschen kennst Du, die in eine Opferhaltung gehen ? Aussitzen ? Blockieren ? Krank werden in einer solchen Situation ?

Als ich damals entschied, mich mit allem was ich bin und habe für „Wahrhaftigkeit“ einzusetzen, hatte ich den Eindruck, dass die wenigsten IHRE WAHRHEIT formulieren und leben.

Aus Angst davor, die Konsequenzen für die eigene Wahrheit tragen zu müssen.
Sie fürchten sich davor, bestraft zu werden und etwas NICHT zu bekommen, wovon sie glauben, sie bräuchten es.

Wahrheit ist mächtig

Zu Beginn meiner beratenden Tätigkeit – fast 30 Jahre her – kam ich in ein völlig festgefahrenes Projekt. Es betraf die Kompetenzräume und die Autarkie verschiedener Verwaltungsbereiche und das Projekt war so aufgesetzt, dass alle wussten, dass am Ende Kompetenzräume verschoben und Eigenräume geschlossen werden würden. Jedoch wusste keiner der Beteiligten zu Beginn, welche Räume dies betreffen würde.

Es war kaum möglich, alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, riesige Vorbehalte und Abgrenzungen überall. Genauso war es möglich, die nötigen Sachinformationen zu sammeln, denn alle Seiten hielten zurück.

Der entscheidende Moment, in dessen Vorfeld es mir doch gelungen war, eine Projektsteuerungsrunde mit allen Vertretern zu bewirken, war, als der erste Beteiligte es wagte, seine Befürchtungen, seine Wut und seine Hilflosigkeit zu formulieren. Vor versammelter Runde.

Ich erinnere mich genau an die Stille im Raum, an die ersten direkten Augenkontakte, an die Bewegung, die die kalte und starre Atmosphäre von vorher begann, zu verändern.

Dieser Mann hatte jenseits seiner vordergründigen Interessen, jenseits seiner hierarchischen Rolle, jenseits seiner kunstvollen Abgrenzungsmanöver gezeigt, wo er wirklich stand.

Es hätte passieren können, dass seine Konkurrenten über ihn herfallen, Es hätte passieren können, dass seine „Unfähigkeit“ im System weitergetragen worden wäre und ihm Schwierigkeiten eingebrockt hätte. 
Es ist aber nicht passiert.
Was sich tatsächlich ereignete war, dass in die Stille die nächste sich offenbarte, ihr Unverständnis, ihre Empörung und ihre „worst case“-Szenarien zeigte. 
Und der nächste, und der nächste, und der nächste.

So entstand ein transparenter Raum, ein Raum, in dem jeder um die Irritation des anderen wusste. In dem jeder erfahren hatte, dass das so mühsam Verborgene etwas Gemeinsames war. 
Auf dieser Basis gelang es, die bestmögliche Sachlösung zu schaffen – und zugleich in einer Weise umzusetzen, die nicht gewalttätig war.

Das ist die Macht der Wahrhaftigkeit:
Zum einen wirkt sie nach innen: Indem Du deine momentane Wahrheit – deine Verfassung, deine Bedürfnisse und Fragen anerkennst und sichtbar machst, fällt die Angst von Dir ab. Das „Schlimmste“ ist bereits geschehen: Deine Verwundbarkeit ist sichtbar.

Dieser Vorgang per se gibt Kraft.
Denn er gibt die Ressourcen frei, die Du brauchtest, um Dich zu schützen, um Dich zu verstecken und zu verteidigen.

Zum anderen wirkt sie nach außen: 
KEIN Mensch sieht sich selbst als böswilligen, gewalttätigen Zerstörer. Die Offenbarung des Weichen, des Inneren löst vielmehr eine Kettenreaktion beim Gegenüber aus, die direkt auf sein Empfinden, auf seine innere Wahrheit trifft. Und diese Wahrheit ist bei JEDEM Menschen Liebe.

Ob das Gegenüber dann die persönliche Kraft hat, in die Wahrheit, in die Transparenz zu folgen, ist eine Frage von dessen persönlicher Kraft. Viele Menschen sind einfach noch nicht in der Lage, ihre Masken und Schutzmechanismen aus eigener Kraft zu durchbrechen.

In jedem Falle ist der Vorgang des „Zeigens“ jedoch eine Handlung der Macht:
Du nimmst die Situation in die Hand, veränderst sie mit deiner Wahrheit. Du verlässt die Position an der Front und stellst Dich in deine Seele. Dorthin, wo Du bist, was Du bist.
Mit Dir und deiner Positionsänderung wird sichtbar, dass tatsächlich ein Schattenkampf stattgefunden hat. Eine Farce, die Du jetzt verlassen hast.
Das ist der maximale Impuls, den Du nach außen geben kannst.

Mit der Nicht-Wahrhaftigkeit des Gegenübers leben

Im seltenen „schlechtesten Fall“ treten die von Dir befürchteten Konsequenzen ein:
Der Vertriebsmitarbeiter bekommt seine Prämie nicht, der Vorstand wird demontiert, der Ehemann erhält ein Scheidungsschreiben vom Anwalt und der Guru sitz alleine auf dem Podest.

So what ?

Es ist nicht mehr geschehen, als dass sich bestätigt, was (für dich) wahr ist:
 Was Du hattest, war nicht, was Du wolltest.
Das was Du verloren hast, war eine Chance, die es nicht gab.
Du hast lediglich aufgehört, einen Preis für etwas zu zahlen, das Du haben wolltest und der zu hoch für deine seelische Integrität war.

Lass dein Gegenüber, das auf deine Seelennachricht nur durch eine Maske antworten kann, wo es ist. Du hast keine Ahnung, was dessen Beweggründe sind, was ihm fehlt, was es fürchtet. Aber Du weißt, dass es nicht genügend persönliche Kraft hat, wahr zu sein.

Du hingegen hast einen weiteren Teil von Dir befreit, weißt ein Stück mehr und tiefer, wer Du bist, was wichtig für Dich ist und vor allem: Das Du auf dem Weg zu deiner ganzen Wahrheit bist.

Nebenbei wirst Du bemerken, dass deine Anziehung sich erhöht für Menschen und Begebenheiten, die Dir ähnlich sind, dass dein Horizont sich erweitert hat und Du Lösungen und Möglichkeiten sehen kannst, die bisher von Vorbehalten verstellt waren.

Genieß es !

Lebe !

In deiner Kraft und Wahrheit !

Evelin Rosenfeld

Zur Person: Evelin hilft lieber unter freiem Himmel als im Getümmel der Beratungsindustrie Menschen und Teams, sich auf das Wesentliche zu besinnen, Angstmuster abzustreifen und eine authentische Neuorientierung zu vollziehen.

Sie arbeitet hierzu mit zwei eigenen Methoden, die es auch in Buchform gibt: Für die Individualarbeit „Was Dir wirklich wichtig ist“  und für die Arbeit in Teams „Die Strategie der Aufrichtigkeit“ .

Sechsmal im Jahr reist sie mit einer offenen Gruppe von 5 – 7 Personen an abgelegene Orte in Thailand, Teneriffa und Thüringen um dort im Rahmen einer Auszeit den Prozess in der kompaktesten Form zu vollziehen.
Der nächste Reisetermin ist der 06. – 20. August nach Thüringen und der 02. – 16. September nach Teneriffa. Nähere Informationen unter www.seminar-und-reisen.de

Zu ihrer Arbeit im Ganzen schreit sie unter www.evelinrosenfeld.de

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8 Kommentare zu “Die Macht der Wahrhaftigkeit
  1. andrea sagt:

    vielen herzlichen dank für diesen wunderbaren artikel!

  2. Birgit Kutsche sagt:

    Danke! Aus dem Herzen gesprochen.
    Die Wahrhaftigkeit trägt…………

  3. Madlen sagt:

    Wow!!!
    Ein Wahnsinns-Wahrhaftiger-Artikel 🙂
    Ich wünsche mir, dass das ganz viele Menschen lesen.

    Eine sonnige Zeit euch allen.

    • Da wünsche ich mir auch. Viele werden ihn lesen – manche verstehen – wenige sich selbst daran ausrichten. Und die wenigen – die sind meine Hoffnung, denen gilt mein Respekt und mein Vertrauen.

  4. Antje Bellon sagt:

    Ein Artikel, der mir aus dem Herzen spricht, danke! Er fasst in Worte, wie es für mich war, als ich meinen Job vor drei Jahren kündigte, um das zu tun, was mich wirklich erfüllt.

  5. Björn Spiering sagt:

    Der Artikel bietet mir unheimlich viel. Dankeschön dafür.

    Hat jemand einen Tipp oder Rat, wie man mit der Angst umgeht, die einen beschleicht, wenn man sich wahrhaftig(er) zeigen möchte? Rational verstehe ich den Ansatz von Frau Rosenfeld. Aber die Angst sitzt vor dem Ankommen des Gefühls in mir.

    Viele Grüße

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