Let it flow! Das Fließen der Liebe in uns und in der Familie

Lesezeit 7 Minuten –

Von Axel Doderer. Es gibt sie in uns allen! Die Sehnsucht nach dem Leben in liebvollen und verlässlichen Beziehungen, nach dem stabilen Hafen, aus dem heraus die Welt erobert und erweitert werden will. Oft genug haben wir aber leider stattdessen Auseinandersetzungen, Unzufriedenheit und Konflikte. „Wie ist es möglich, diese zu überwinden?“ und „Gibt es in Familien und Partnerschaften überhaupt erkennbare Zusammenhänge und Regeln, die helfen können, erfüllte Beziehungen zu leben?“

Ein japanisches Sprichwort lautet:
„Das Fließen des Wassers und die Wege der Liebe haben sich seit den Zeiten der Götter nicht verändert“

Wenn ich diese Zeilen auf mich wirken lasse, sehe ich auf der einen Seite manche Zusammenhänge vom Fließen des Wassers, wie zum Beispiel dass Überschwemmungen entstehen oder Dürren einsetzen, wenn wir auf unachtsame Weise Bäche und Flüsse begradigen oder Wälder roden. Dann beginne ich, zu übersetzen, was mit „Wegen der Liebe“ gemeint ist. Ich mache mir klar, dass z. B die Mutterliebe oder die Liebe, die uns zu einem Partner/einer Partnerin zieht, als feste Bestandteile unseres Lebens und der Liebe erkennbar sind. Und hier gibt es statt Überschwemmungen und Dürren, andere, aber nicht minder deutliche Zeichen und Zustände, wenn das, was zu dieser Liebe gehört oder gehören sollte, nicht oder nur eingeschränkt stattfinden kann. Wir können das an manchen Beispielen deutlich erkennen.

Jeder kann nachvollziehen, dass das Kind und die Mutter leiden, wenn sie früh getrennt werden. Wir wissen auch, wie weh es tut, wenn wir lieben, diese Liebe aber nicht erwidert wird oder wie schwer es ist, wenn Jemand unerwartet oder früh stirbt. Alle genannten Beispiele sind Umstände, die zum Leben gehören und zunächst einmal nicht als Missachtung des Flusses der Liebe gesehen werden können. Diese setzt erst ein, wenn wir innerhalb einer solchen Situation in Vermeidungshaltungen, Unterdrückung und Abwehr gehen. Es sind die unterdrückten Emotionen, die uns dann in den jeweiligen Zuständen festhalten, sei es Einsamkeit, Trauer oder Wut. Würden wir hier dem Fließen der Liebe folgen, müssten wir in den o. g. Situationen weinen, schreien, trauern und uns in Gemeinschaft fallen lassen bis die Talsohle durchschritten ist und die Emotionen rausgeflossen sind. Dann können die Erfahrung des Getragen Seins, der Stabilität und des Weitergehens trotz alledem in uns Raum bekommen. Und die Folge davon wiederum ist, dass wir wieder Anschluss nehmen können an positive Erlebnisse und Emotionen, wieder lachen können und uns frei fühlen können, wie das Wasser, dass gestaut wurde oder durch einen Engpass geflossen ist und dann wieder frei fließen kann.

Der Schlüssel zum guten Fluss der Liebe in uns und unseren Familien ist, den Emotionen freien Lauf zu lassen und am besten dabei nicht alleine zu sein.

Damit dies gelingt braucht es für uns als Erwachsene und Eltern zweierlei: Erstens ist es logisch und gut, wenn wir unsere eigenen, noch fest steckenden Emotionen befreien und Zweitens können und werden wir dann uns und unseren Kindern den Raum geben, offen und frei mit den aktuellen Themen – auch den schwierigen – umzugehen, statt zu unterdrücken, wie wir es oft gelernt haben. Letztendlich können wir an unseren heutigen Reiz- und Belastungsthemen erkennen, was wir noch zu lösen haben. Hinter Ihnen steht meist eine ganze Geschichte, genauer: unsere persönliche Vorgeschichte, die mit einem der Themen wie akuter Überforderung, unerfüllten Ansprüchen oder unverarbeiteten Verlusten zu tun hat. Beobachtung:

Hinter den akuten Empfindlichkeiten und der hohen Emotionalität vieler Themen von heute stehen häufig traumatische Ereignisse, die lange oder gar sehr lange zurück liegen

Dabei ist es als Phänomen zu beobachten, dass unterdrückte Emotionen teilweise durch Generationen hindurch weitergereicht werden. So kann z. B. bei der Spurensuche zu der Depression von Heute plötzlich der Tod der Oma bei der Geburt Ihres zweiten Kindes (welches in diesem Beispiel der Vater des Depressiven sein mag) auftauchen. Und alle, die das damals miterleben mussten, sind in eine Schockstarre oder Vermeidungshaltung geraten, statt den großen Schmerz und die Ohnmacht auszudrücken und auszuleben. In diesem Umfeld übernimmt dann das Kind diese unerledigten Trauergefühle, die dann als Depression attestiert werden.

Eine der Regeln, die mehr und mehr erkannt werden ist: Unterdrückte Themen in Familien werden über Generationen weitergereicht

Aber lenken wir noch einmal die Aufmerksamkeit auf aktuelle Themen in Familien, wie z. B. die Schule und die Hausaufgaben. Interessant ist auch hier, wie deutlich die Schulerfahrungen der Eltern in den Umgang mit den Schulthemen der Kinder von heute einfließen. Manche Schüler und Schülerinnen finden plötzlich Ihren eigenen guten Weg, wenn die Eltern Ihre Altlasten zu Ihrer Schulzeit abgelöst haben.

Am Beispiel Partnerschaft sehen wir oft, dass es einem der beiden schwer fällt, sich näher und weiter einzulassen. Gehen wir genauer auf die Suche, warum das so ist, stoßen wir immer wieder auf alte Verletzungen aus einer vorhergegangenen Beziehung. Oder Beziehungspartner stoßen über die eigene Beziehung immer wieder an die Geschichte der Eltern und deren Situation und Themen. Erkennbar wird auch hier, dass die emotionalen Ladungen, die zu deren Auseinandersetzungen, deren Ohnmacht, deren Aggression oder ggf. auch deren Trennung gehörten, heute noch „virulent“ sind. Die Bezeichnung virulent beschreibt m. E. treffend das Phänomen dieser klar wahrzunehmenden Ladungen. Ein Erkennungsmerkmal dieser weitergegebenen Ladungen ist, das es sehr massive Reaktionen auf relativ kleine Auslöser gibt. Die virulente Ladung heizt die Situation auf bis hin zu unverhältnismäßigen Ausrastern, Wutattacken, oder auch Trennungsängsten und Hilflosigkeit. Die Ähnlichkeit der Thematik von heute mit dem Damals reicht aus und löst eine ganze Kette von Reaktionen aus. Diese passen eigentlich viel besser zu den Ursprungsereignissen, als zu dem Heute.

Es sind die unterdrückten Drama – bzw. Trauma-Reaktionen von damals, die die Situation dominieren – und die damit letztendlich nach Ablösung drängen!

Immer wenn jemand sagt “Ich weiß auch nicht, warum ich dann so extrem reagiere“, deutet das auf eine sogenannte Verstrickung mit der Vergangenheit hin. Diesen Blickwinkel als wesentliches Merkmal der „Wege der Liebe in Familien“ zu stellen, mag überraschen, folgt aber der darin enthaltenen Wichtigkeit und Tragweite. Denn die „Dynamik der emotionalen Verschiebungen“ findet sich in ganz vielen Facetten in unseren Beziehungsgeflechten wieder. Sei es in unseren Kindern, in unserem Verhältnis zu unseren Eltern, unseren Partnern – oder – ganz wichtig! – in unserem Verhältnis zu uns selbst.

Werden Verstrickungen mit der Vergangenheit erkannt, ist die Ablösung dazu recht einfach: Erstens leitet bereits das Erkennen des Zusammenhangs einen Fluß der übernommenen Ladung in Richtung des Ursprungserlebnisses ein, zweitens kann das verstärkt werden, indem die Gefühle, die in das damals gehören noch einmal auftauchen dürfen und in das damals zurück gegeben werden. Dann kann die Situation heute wieder frei sein. Dann hat die Liebe ihren Weg wieder gefunden: in Anerkennung zu dem damals und dass sie dort nicht weiter fliessen konnte und mit dem offenen Blick auf das heute und wieviel hier – ohne Eintrübung von damals – tatsächlich möglich ist. In diesem Sinne: „let it flow“

„Let it flow“ ist der erste von sporadisch erscheinenden Artikeln zu dem „Fließen der Liebe in uns und unseren Familien“ und lädt dazu ein, dem persönlichen Fluß der Liebe Aufmerksamkeit zu schenken. Bei dem Kennenlernen der wesentlichen Regeln und Dynamiken in uns und unseren Familiensystemen tauchen ggf. eigene Themen auf, die nach Klärung und Befreiung rufen. Die gute Botschaft ist: wer die Regeln kennt, kann auch etwas tun und damit das Fließen der Liebe befreien!

Axel Doderer bietet mit seinen Seminaren “Wie Liebe gelingt“ immer wieder die Möglichkeit die Regeln der Liebe hautnah kennen zu lernen und eigne Themen in den Fluss zu bekommen. Das nächste „Wie Liebe gelingt“-Seminar findet vom 31. Mai bis zum 02. Mai in der Nature-Community in 92539 Schönsee statt, mehr www.fam-coach.de

Sharing is caring 🧡
Gastbeitrag
Gastbeitrag

Viele wertvolle Gastautorinnen und -autoren unterstützen und schreiben für die newslichter. Informationen zu der jeweiligen Person finden sich am Ende des jeweiligen Artikels

2 Kommentare

  1. „Es gibt sie in uns allen!“. Solche Sätze mag ich nicht und passen für mich auch nicht hierhin Bettina und Team. Auch hier gilt für mich: in der „Ich“-Form zu reden. Das zu Teilen, was ihm bewegt. Dann kann ich berührt werden. Dann lasse ich mich berühren. So wird es belehrend und das mag ich nicht. Ich bin in der LIEBE. Habe SIE in mir ent-deckt und pflege sie dort. Pflege mich: Innen und Außen. Fließe über, wenn ich voll damit bin. Fühle mich auch in der GROßEN ewigen LIEBE. Da bin ICH. Danke.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert