Mensch werden – ein persönlicher Blick auf Advent und Weihnachten

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Von Hiltrud Meyer-Fritsch. Freunde von mir leben mit ihrer großen Familie auf einem Hof im Münsterland. Ein idyllisches Fleckchen Erde, von altem Baumbestand, Garten, Obstwiese und Feldern umgeben. Die Großeltern wohnen ebenfalls auf dem Hof in einer eigenen Wohnung. Nebenan im ehemaligen Speicher und in einem weiteren zum Hof gehörigen Gebäude wohnen heute Familien. Mit strahlendem Gesicht erzählt meine Freundin mir neulich, dass in einer der Familien Nachwuchs angekommen sei. Das junge Paar hat eine kleine Tochter bekommen.

Als die Nachricht der Geburt sich in der Hofgemeinschaft verbreitet, sind alle wie verzaubert. Selbst die jugendliche Tochter meiner Freundin, die ansonsten ziemlich „cool“ ist, ruft ihrer Mutter ganz aufgeregt zu: „Das Baby ist da!“ Die Familie meiner Freundin, ihre Schwiegereltern und die Nachbarn, alle sind von dem Ereignis gerührt – auch wenn sie das Neugeborene noch gar nicht gesehen haben. Allein das Wissen erfüllt mit Glück: Bei uns ist ein Kind geboren!

Eindrücklich erzählt meine Freundin, wie einige Tage später die Uromas der jungen Familie mit dem Auto zum Hof gebracht werden. Mühsam steigen sie aus dem Auto, den Handstock in der einen und die Kuchendose in der anderen Hand. Das Laufen fällt schwer, sie werden gestützt. Die Treppe zum ersten Stockwerk hochzusteigen, wo die junge Familie mit dem Urenkelkind wohnt, kostet sie viel Mühe. Doch was zählt das in diesem Moment schon? Schließlich ist hier ein Kind geboren!

Neugeborene berühren unsere Herzen. Es geschieht ganz unmittelbar. Wir sind ergriffen. Erwachsene ebenso wie Kinder. Meine Freundin beschreibt es als einen besonderen Glanz, der plötzlich über dem Hof liegt.

Neue Dimensionen in der Schwangerschaft

Diese Ergriffenheit kenne ich sehr gut, gehört sie doch zu meinem Arbeitsalltag. Beruflich begleite ich Schwangere und Familien, die sich vorrangig in Belastungssituationen an mich wenden. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf der Bindungsanalyse nach Hidas und Raffai, in der es wesentlich darum geht, Schwangere (bzw. die Eltern) darin zu unterstützen, sich auf ihr Kind einzustimmen und sich mit ihm zu verbinden. In einer entspannten Atmosphäre folgt die Mutter ihrer Intuition und öffnet sich emotional für das Baby. Nach und nach steigen Bilder vom Kind in ihr auf, ein Resonanzraum entsteht. Jede Begegnung ist unterschiedlich. Es fällt jedoch auf, dass sehr viele Schwangere in der Begegnung mit ihrem Kind Helligkeit und Wärme spüren, ein besonderes Licht, das ihr Kind einhüllt. Schwangere sind von diesen Erfahrungen sehr berührt, manchmal breitet sich eine tiefe Stille im Raum aus, eine neue Dimension eröffnet sich. In der Begleitung erlebe ich es spürbar und sichtbar: Ein Lächeln erscheint auf dem Gesicht der Mutter und manchmal beginnt es regelrecht zu leuchten. Diese Erfahrungen von tiefer Verbundenheit sind eine kostbare Ressource, gerade in herausfordernden Schwangerschaften.

Das Fest der Menschwerdung

Um dieses Wunder der Menschwerdung und das Licht, das in die Welt kommt, geht es ursprünglich in der Advents- und Weihnachtszeit. Beides, die Menschwerdung und das Licht gehören zusammen. Der Advent ist gleichsam eine Zeit der Schwangerschaft, eine Zeit der Vorbereitung und Einstimmung. Eine Zeit, in der wir die inneren Herzenstüren weiten und öffnen für das Wunder. Ebenso wie jedes Neugeborene erinnert uns auch das Kind in der Krippe daran: Das Licht ist da. Es wohnt unter uns und in uns. Wir sind eingeladen, es einzulassen, es aufzunehmen und in die Welt zu tragen. Menschwerdung geschieht vor allem in unseren Herzen. In der Advents- und Weihnachtszeit machen wir uns das erneut bewusst. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein lichtvolles Fest der Menschwerdung!

Über das Wunder der Menschwerdung hat die Autorin ein Buch geschrieben. Sie beschreibt dieses Wunder aus der Perspektive des sich im Mutterleib entwickelnden Kindes. Das Buch mit liebevollen, farbenfrohen Illustrationen und positiven Botschaften lädt zum Spüren und zum Staunen ein: Das Leben ist von Anfang an ein Wunder! In Mamas Bauch ist im LebensGut Verlag erschienen. Hier mehr.

Hiltrud Meyer-Fritsch ist Diplom-Theologin und Bindungsanalytikerin nach Hidas und Raffai. In ihrer Praxis für Bindungsförderung und Bindungsanalyse begleitet und berät sie vor allem Menschen, die rund um Schwangerschaft und Geburt Hilfe suchen. Darüber hinaus ist sie als Coach, Referentin und als Dozentin für Hebammen tätig.

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Ein Kommentar zu “Mensch werden – ein persönlicher Blick auf Advent und Weihnachten
  1. Wim Lauwers sagt:

    Danke Hiltrud für deine Weisheit auf Grund deiner Erfahrungen. Es ist und bleibt ein Wunder, wenn diese Lichtwesen zu uns kommen. Ich bin 2x Vater geworden. Und durfte beide Male dabei sein. Das zweite Mal bekamen wir sogar ein Zimmer.

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