
Bild von Albrecht Fietz auf Pixabay
Ein kurzfristiges, isoliertes Gefühl von Macht über alle Ereignisse und Umstände zu haben, ist ein herrlich trügerisches Privileg und vielleicht der erste und am schönsten konstruierte Hochmut des menschlichen Daseins, besonders im jugendlichen Menschsein. Aber es ist ein Privileg, das wir aufgeben müssen mit eben jener Jugend, mit Krankheit, mit Unfall, mit dem Verlust geliebter Menschen, die unsere unberührbare Macht nicht teilen; Macht, die schlussendlich und äußerst nachdrücklich aufgegeben wird, wenn wir unseren letzten Atemzug tun.
Die einzige Wahl, die wir im reifer Werden haben, ist wie wir unsere Verletzlichkeit bewohnen. Wie wir größer und mutiger und anteilnehmender werden durch unsere Vertrautheit mit Vergänglichkeit. Wir haben die Wahl, Verletzlichkeit als großzügige BewohnerInnen des Verlusts stark und ganz zu leben. Oder umgekehrt als Geizhälse und Nörgler, widerwillig und angstvoll, immer vor den Toren des Daseins aber nie tapfer und vollständig zu versuchen, einzutreten. Nie uns selbst in Gefahr bringen zu wollen, nie ganz durch die Tür zu gehen.
David Whyte
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Quelle für das englische Original: https://www.themarginalian.org/2016/04/11/david-whyte-vulnerability/
Buch in Deutsch erschienen in der Edition Spuren „Zuwendungen – Das geheime Leben alltäglicher Wörter „
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