Gemeinnutz oder Gemeinwohl?

Von Conny Dollbaum-Paulsen. Wer schon mal einen gemeinnützigen Verein gegründet hat, weiß um viele kleine und große Merkwürdigkeiten, als da wären altmodische Formulierungen, Korinthen produzierende Finanzämter (das gehört natürlich zum Job und soll kein Anwurf sein), vielfach unterschriebene Protokolle in diversen Ausführungen, er oder sie weiß um einzelne kleine falsche Worte in Satzungen und andere oft nicht vorhersehbare Herausforderungen.

Ende 2022, als die Heilnetz GbR ihre Geschäfte mit allem Drum und Dran an den neu zu gründenden Heilnetz-Verein übergab, waren alle Beteiligten aus dem Kernteam wohlgemut und auch ein bisschen überrascht, wie glatt unsere Amts- und Rechtsgeschichten von der Hand gingen. Wir dachten, mit unserem Vorverein, den wir 2022 im Dezember zur Aufnahme der Geschäfte ab 1.1. geründet hatten, wäre alles prima erledigt und Nachfrage-frei…und weil Kleinigkeiten wie Kontoeröffnung und Geschäftsfähigkeit von der Gründung abhingen, waren wir auch zielstrebig damit und entspannten uns – zumindest das, also das Entspannen, ist ja immer gut, egal wie die Dinge laufen.

Überraschung perfekt: Gemeinnutz hin

So traf es uns ziemlich unvorbereitet, als wir trotz guter und nicht gerade kostenloser Beratung diverser Fachmenschen zuerst im Dezember ein frohes JA zum Gemeinnutz erhielten, das leider nicht über den Januar hinaus Bestand hatte.

Mal abgesehen davon, dass unsere Gründung im Januar ein wunderbares Event war, standen uns die oben beschriebenen Haken und Ösen noch bevor – zentral dabei war die Frage: Wieso soll eine Dienstleistung, die bis dahin als GbR unternehmerisch tätig war, plötzlich gemeinnützig sein? Aus Finanzbeamtensicht ist diese Skepsis verständlich – wer unsere Satzung allerdings liest, sieht sofort: hier geht es absichtsvoll nicht um die Erwirtschaftung eines Gewinnes, sondern darum, Ganzheitliches zu fördern und zu unterstützen wo immer das möglich ist. Die zuständige Beamtin blieb bei ihrer Auslegung und wir kamen ins Grübeln – vielen Dank für diesen Grübel-Impuls…

Die Satzung hatte uns viel Mühe gemacht, die diversen Überarbeitungen mit anwaltlicher Beratung waren aufwändig und teuer gewesen, die Sprache altmodisch-verstaubt, das ganze Konstrukt nur deshalb gewählt, weil in Deutschland keine passendere Rechtsform zur Verfügung steht. Die Vorstellung, alles neu schreiben, um einzelne Worte oder sogar um Inhalte ringen zu müssen, gefiel uns nicht. Und wie es so ist in unklaren Situationen, taucht häufig etwas auf, das bis keine Rolle gespielt hatte. In unserem Fall war dieses Etwas die Gemeinwohlökonomie, mit der wir inhaltlich Gutes verbanden, weil das Wort er hergibt; Ahnung hatte aber niemand von uns

Neu gedacht: Gemeinwohlorientierung…

Vor dem Hintergrund, dass wir mit dem Heilnetz in all unserem Denken und Tun bis in jeden Buchstaben hinein auf die Unterstützung des Wohles aller ausgerichtet sind, fühlten wir uns unter dieser Überschrift direkt fast noch mehr zuhause als beim Gemeinnutz. Wobei die Gemeinnützigkeit ja neben der inhaltlichen Ausrichtung einen ganz profanen pekuniären Hintergrund hat: Spenden können von der Steuer abgesetzt werden und das öffnet die eine oder andere Brieftasche zur Freude der Vereine meist nachhaltig.

Diesen Vorteil gibt es beim Gemeinwohl nicht – aber die Werte, denen sich die Unternehmen verbunden fühlen, unterschreiben wir nicht nur ausnahmslos, sondern sind auch schon gut in der Umsetzung:

  • Ethik, Fairness, Vertrauen und Wertschätzung in einer sozialen und verantwortungsbewussten Marktwirtschaft – inkl. der dafür notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen
  • mehr Kooperation und Solidarität in Wirtschaft und Gesellschaft (inkl. Kreislaufwirtschaft)
  • eine umfassende Reform des Finanzbereichs (inkl. Gemeinwohl-Banken, Vollgeld-Reform und Schrumpfung des Finanzsektor; Geld ist ein Mittel zum Zweck und nicht der Sinn des Wirtschaftens)
  • eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft und Ernährung
  • mehr Regionalität in der Wirtschaft
  • bewussten und achtsamen Konsum
  • eine drastische Reduktion des CO2-Fussabdrucks und umfassende Klimaschutz-Maßnahmen
  • mehr demokratische Mitwirkung und gesellschaftliches Engagement der Bürger
  • Bewusstseinsentwicklung und mehr Bildung für die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit (ab dem Kindergarten)
  • die Umsetzung der 17 Entwicklungsziele der UN in den einzelnen Ländern

Auch wenn wir kein in erster Linie ökologisch oder sozial ausgerichtetes Netzwerk sind, sondern eines, dass sich mit Gesundheit, Heilung und Wohlleben beschäftigt, sind uns alle Werte ein Anliegen. Zu unserem erweiterten Gesundheitsbegriff gehörten von Anfang an auch soziale und ökologische Aspekte; das war vor 12 Jahren noch schwerer zu vermitteln als heute, an der Notwendigkeit hat es nichts geändert. Uns ist bewusst, dass kein Mensch individuell gesund sein kann, wenn Umwelt und Gesellschaft dies nicht sind.

Der Heilnetz-Pfad der Gemeinwohlökonomie

Wir arbeiten NICHT Gewinn- sondern Ganzheitlichkeits-orientiert. Das ist ein wichtiger Maßstab. Genau deshalb haben wir uns entschieden, den wohlbekannten aber ausgetretenen Pfad des Gemeinnutzes zu verlassen und werden uns schrittweise der Gemeinwohlökonomie zuwenden. Heilnetz ist ein eingetragener aber eben kein gemeinnütziger Verein, unsere Satzung beinhaltet viele der Gemeinwohl-Aspekte sowieso schon. Der Verein Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland e. V. hat umfangreiches Material zur Verfügung gestellt, das wir nun Stück für Stück auf Heilnetz anwenden. Lieferketten sind dabei nicht so unser Thema, sehr wohl aber der Betrieb unserer Computer mit Ökostrom, das Bankkonto bei der GLS oder die Drucksachen auf Umweltpapier.

Wir werden darüber berichten und transparent darin sein, wo wir gerade stehen. Und freuen uns, im Bereich Wirtschaft einen Beitrag zu leisten, der in eine gerechtere, fairere, ökologischere und damit heilsamere Zukunft für alle Beteiligten führen kann. Inwiefern wir uns offiziell zertifizieren lassen, wissen wir im Moment noch nicht, eine Umsetzung können wir in diesem Jahr auch noch nicht stemmen, weil wir aktuell damit beschäftigt sind, Heilnetz als Team zu gestalten und am Laufen zu halten. Über die Links unten kannst Du Dich darüber informieren, was es bedeutet, eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen.

Was bedeutet das praktisch?

Wer im Heilnetz einen Eintrag hat, bucht beim Verein. Das hat sich nicht geändert, es kommt eine ganz normale Rechnung, die von der Steuer abgesetzt werden kann. Sollten wir als Verein jemals Gewinn machen, werden wir den reinvestieren, um Heilnetz weiter zu entwickeln. Auch daran hat sich nichts geändert. Wer mehr Fragen hat, ist hier gut aufgehoben Häufige Fragen zum Verein

Foto: Conny Dollbaum-Paulsen

Conny Dollbaum-Paulsen ist Heilnetzgründerin, Autorin, Präsenzcoach und imm Heilnetz zuständig für: Redaktion, Entwicklung, Kooperationen, Heilnetz OWL

Sharing is Caring 🧡
Posted in Menschen Verwendete Schlagwörter: ,
7 Kommentare zu “Gemeinnutz oder Gemeinwohl?
  1. Dagmar sagt:

    ….mmmmm….“ganzheitlichkeits¬orientiert“……DANKE****, liebe Conny ¬ Dein Text resoniert tief….DANKE***** für Deine / Eure Ausrichtung & Pionierarbeit….sooo wertvoll & wichtig…….mir ein Vorbild….

    Von Herzen,
    Dagmar

    • Liebe Dagmar, einander zu inspirieren finde ich das Wunderbarste überhaupt. Voneinander zu lernen, uns zu stützen – so machen wir das. Fühlend, mit offenem Herzen und klarem Geist. Hab Dank für dein Teilen, es ist Samen für den nächsten Schritt.

  2. Evelin sagt:

    Liebe Conny, wie wertvoll deine Zeilen, wie mühevoll und streckenweise vielleicht auch frustrierend Weg und Schreibram, die dahinter stehen. Auch wir denken derzeit darüber nach, das „Ackerprojekt“ in einen Verein zu überführen. Doch meine Gedanken gehen noch weiter… über Geld und Nutzen und staatliche Regularien hinaus. Auch mein Jahr hat gezeigt, dass das Gemeinwohl, gespiegelt in persönlich getragenen Initiativen wie das Heilnetz, die Newslichter, Aditi und so viele andere, nicht mehr vereinbar ist mit dem Regel- und Kontrollsystem der „grossen Gemeinde“. Ich ahne, der Weg geht jenseits dieser alten Formen weiter… Verbunden bleiben wir Pioniere – und hoffentlich entscheiden sich viele mitlesende Zaungäste, auch ihre Kraft in diesen neuen Weg zu geben. Uneigennützig. Aus dem Herzen Und somit getragen vom Höheren, Ganzen.

  3. Daniela sagt:

    Hallo zusammen,

    ein kleiner Tipp an alle, die einen gemeinnützigen Verein gründen wollen. Wir stecken gerade auch in so einer Phase. Ich habe beim Finanzamt angerufen und mich mit der entsprechenden Abteilung verbinden lassen. Die Frau war sehr nett, konnte mir sagen, wo Broschüren zum Download von der Finanzverwaltung zu finden sind zu dem Thema und hat mich ausdrücklich gebeten, dem Finanzamt VOR Vereinsgründung einen Satzungsentwurf zur Prüfung zukommen zu lassen. Sie meinte, dass dann die Gemeinnützigkeit geprüft werden kann und sollte etwas nicht passen, kann dies in gemeinsamen Gesprächen gelöst werden. Es braucht also vielleicht nicht unbedingt einen teuren Anwalt oder ähnliches.

    Sonnige Grüße
    Daniela

    • Conny sagt:

      Liebe Daniela, vielen Dank für Deine Hinweise, die sicher sehr nützlich sind. Allerdings ist Verein nicht Verein…bei uns ging es darum, ein Unternehmen in einen Verein zu überführen – da schaut das Finanzamt etwas anders. Deshalb war das ohne Anwältin gar nicht machbar, aber normale Vereinsgründungen benötigen das natürlich nicht. Alles Gute euch bei der Gründung!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Dein Kommentar wird nach der Prüfung freigeschaltet. Bitte beachte, Einschätzungen und Meinungen in Ich-Form zu formulieren und die AutorInnen zu wertschätzen. Nicht identifizierbare Namen (Nicknames), Kommentare ohne erkennbaren Bezug auf den Inhalt des Artikels und Links zu nicht eindeutig verifizierbaren Seiten bzw. zur Eigenwerbung werden grundsätzlich nicht freigeschaltet.