Zusammen Geschichte schreiben

Wandel.Werkzeuge im Geschichtenhandwerk. Von Marianne Vogt.  Welche Kraft liegt im gemeinsamen, bewussten Schreiben von Geschichten? Seit ich dieses Jahr begonnen habe Schreibwerkstätten anzuleiten und mich in das narrative Denken zu vertiefen, beschäftigt mich diese Frage.Wenn es für Einzelne möglich ist, sich aus einer alten, immer noch kriegerisch in ihnen wirkenden Geschichte in eine neue, friedensstiftende Geschichte hineinzuschreiben, was ist dann möglich, wenn wir das gemeinsam tun?

Was passiert, wenn Kindheitserinnerungen, die eine ganze Generation kollektiv teilt, mit der Frage, wie hätte es für alle Beteiligten besser sein können, in einen anderen Kontext gehoben werden? Wenn damit alle ‚Tatbestände‘ bleiben was sie waren, sich im gedanklichen Spiel jedoch angenehmere Ereignisverläufe als Alternative dazu entwickeln, die beim Niederschreiben auf uns nachhaltig zu wirken beginnen und die wir durch unseren Fühlkörper als Ausweg aus den ewigen Wiederholungen der gleichen Geschichte verinnerlichen können.

Was wäre, wenn das keine ‚mühsame Einzelarbeit‘ im stillen Kämmerlein mit überschaubarem Wirkungsradius zu bleiben braucht, sondern öffentlich in Co.Kreation, spielerisch, mit sich multiplizierendem Wirkradius stattfindet?

In meiner Vorstellung liefert uns das Geschichtenhandwerk mächtige Werkzeuge für den gesellschaftlichen Wandel.

Zusammen Geschichte schreiben. Wie geht das?

Doch nun ganz konkret – wie stellen wir das an? Wie stelle ich das an? Gibt es für solche co.kreativen Schreibprozesse dienliche Anleitungen? Braucht es diese überhaupt? Oder schreiben sich Geschichten im Grunde von allein, während wir dabei sind, etwas aus einer bestimmten Absicht heraus gemeinsam zu gestalten? Reicht es aus, in friedensstiftender Absicht Schreiberlinge zum co.kreativen Schreiben einzuladen? Und dann aufzuzeichnen, was sich im Miteinander ereignet, auch, wenn ausschließlich in unseren Köpfen?

Wird erst etwas zur Geschichte, wenn es Geschichte, also gewesen ist? Andersherum gefragt, ist alles mit offenem Ende noch keine (zumindest fertige) Geschichte? Kann ich die Geschichte von dem co.kreativen Schreibprojekt erst niederschreiben, wenn es sich ereignet hat, wenn es ‚fertig‘ ist? Können Geschichten denn je fertig, im Sinne von unwiderruflich abgeschlossen sein? Liegt nicht genau in ihrer Veränderbarkeit die Zündschnur für kulturelle Evolution?

Unsere Vergangenheit scheint mir aus zu Geschichten gezippten Erinnerungen zu bestehen. Eine Schicht legt sich über die andere. Durch Anfang und Ende lassen sich die Ge-Schichten voneinander unterscheiden und werden gleichsam zusammengebunden. Das Ende einer Geschichte ist der Anfang einer anderen. Der Anfang einer neuen Geschichte ist das Ende einer Alten. Anfang und Ende sind der Kitt und die Fuge zugleich. Die Vergangenheit wirkt in die Zukunft hinein. Und die Zukunft wirkt auf die Vergangenheit zurück. In dem Augenblick dazwischen erzählen wir Geschichten und sie erzählen uns. Oder ist es doch ganz anders?

Co.Kreatives Schreibprojekt und Mini-Audio.Adventskalender

Erzählen möchte ich zum Abschluss von meinem co.kreativen Schreibprojekt, dessen Anfang in der Mitmach-Geschichte des Audio-Adventskalender-Projekts von Mittengold & friends liegt und dessen Absicht sich in der Frage zeigt, wie wir eine Geschichte aus mehreren Federn zusammenfließen lassen können und ob bei der zu bewältigenden Komplexität der Einsatz von KI für uns hilfreich oder hinderlich ist. Das Ende ist offen und doch insofern klar, als dass wir zu dritt eine vierteilige Adventsgeschichte schreiben, deren Folgen nacheinander auf audiokalender.de an den Adventssonntagen als Mini-Ausgabe des Audiokalenders veröffentlicht werden. Zudem werden alle Hörenden auch etwas über unseren Schreibprozess zu lesen bekommen und können mit ihren Ideen, wie bei der Mitmach-Geschichte, den Verlauf der Adventsgeschichte beeinflussen.

So lade ich alle herzlich zum Lauschen und Teilhaben ein.

Dieses Jahr ist das kostenfrei über den Weg der Newsletter-Anmeldung möglich.

Möge das Experiment gelingen und das co.kreative Schreiben zu einer Friedensgeschichte werden.
Alles Liebe. Marianne

Nähere Infos zum co.kreativen Schreibprojekt und Mini_Audio.Adventskalender gibt es unter: https://audiokalender.de/adventskalender-beschreibung

https://www.instagram.com/audiogefaehrten/

Und es finden dieses Jahr auch wieder zwei Lesungen von Mittengold & friends in Berlin statt – Infos dazu hier: https://audiokalender.de/lesungen/

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5 Kommentare zu “Zusammen Geschichte schreiben
  1. Christine Schweizer sagt:

    Liebe Marianne,
    was für eine wundervolle Idee!
    Und damit hast du so lange gewartet? Aber „alles hat seine Zeit“, nicht wahr?
    Und manche Geschichte muss auch reifen.
    Tatsächlich habe ich mich für eine „Schreibwerkstatt für Kriegsenkel“ angemeldet, um die Geschichte meiner Großeltern und Eltern endlich zu Papier zu bringen.
    Vielleicht kann dies zur Heilung beitragen…
    Danke also für „Marianne, das Himmelsgeschenk“!
    Alles Liebe, Christine

    • Cordula sagt:

      oh, liebe Christine, wie schön. Ich kann dich nur ermutigen, dese GEschichte für deine Großeltern zu schreiben. Ich tat das auch, dank Mariannes Audioadventskalender, habe ich letztes Jahr eine Friedensgeschichte für meine Schwiegermutter geschrieben. Meinst du die Schreibwerkstatt bei SVen B.?
      Na, dann lesen wir hier vielleicht was von dir, wenn sie fertig ist?
      Lieben Gruß, Cordula

    • Marianne sagt:

      Liebe Christine, danke für deine warmen Worte. Es klingt, als würdest du eine meiner Geschichten mit dem Titel, ‚Es hat alles seine Zeit‘ kennen!? Wie schön, dass auch du für die Heilung deiner Familiengeschichte schreibst. Auf dass wir uns mehr und mehr aus den Kriegen heraus und in den Frieden hinein schreiben. Alles Liebe, Marianne

  2. Cordula sagt:

    Liebste Marianne,
    danke für die Vision, dass wir gemeinsam Geschichte schreiben. Ich freu mich darauf und dadurch dass du das hier geteilt hast, telie ich diese gute NAchricht gerade mit noch mehr Menschen. Bin gespannt, was wir gemeinsam kreieren werden in diesem Advent. Herzlichst, Cordula

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