In der Stille der Nacht

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Des nachts zur Ruhe kommen, schlafend Erholung finden, das ist, wann immer es sich erfüllt, ein Segen für unsere Tage, unser Tun und Lassen. Fürs Leben. Diese irdische Wohltat zuzulassen, wie sie in unserem Mensch Sein angelegt ist, wer weiß, sie könnte auch der Weg sein, auf dem wir uns als die größere Seele, die wir sind, Nacht für Nacht aus unserer menschlich-materiellen Bindung lösen und frei im Seelenraum reisen, forschen, handeln …

Meine Schlafbiografie in diesem Leben ist bunt, voller Brüche und war lange erfüllt von notvollem Nichtgelingen. Wie wohl für viele von uns.

Aus meiner Baby-und Kleinkinderzeit hüte ich ein Puzzlestück aus dem Erzählen meiner verstorbenen Mutter. Aus dem ich lesen kann, dass ich als hochsensibles Wesen regelmäßig in einer solchen Dauerüberforderung stand, dass ich mich abens im Bett nicht beruhigen konnte (was ein Baby und Kleinkind ohnehin NICHT aus sich selbst heraus vermag). Sodass Einschlafen erst im Modus der vollkommenen Erschöpfung zustanden kam.

Als Sechsjährige lernte ich mit den ersten Buchstaben auch bald das Lesen. Da wurden Bücher mein Weg in den Schlaf. Ich las abends. Im Bett. Immer. Ich las stundenlang und über alle Müdigkeit hinweg. Das Licht machte ich nur dann aus, wenn Erwachsenenschritte sich meinem Zimmer näherten.

Als Auszubildende riss mich zwei gediegene Jahr lang der Wecker frühmorgens aus dem Schlaf. Nach Aufstehen, Waschen, Anziehen, Frühstücken lief ich noch auf dem Weg zur Straßenbahn wie ferngesteuert. War nicht anwesend in meinem Körper, nicht bei mir. Es war seltsam und es war wie es war. Erst heute ist mir bewusst, wie anders es auch hätte sein können. Anwesend zu sein. Spürend, fühlend, wahrnehmend, achtsam. Lebendig eben im umfassenden Sinn.

Als Studentin navigierte ich schlaflos durch eine hochaktive Zeit von Streiks und Aktionen zur Verbesserung der Bedingungen für alle. Und wie viele von uns brach auch ich eines Tages unter der Belastung von zuwenig Schlaf – und Trinken und Essen – zusammen. Das Wiederaufstehen war ein langer, entwicklungsreicher Weg.

Als ich Mutter wurde, hielten mich die Herausforderungen des Mama-Seins über sieben Jahre im Griff. Es gab auch nicht eine Nacht, in der ich hätte durchschlafen können.

Als sich mein Familienleben als Kinder begleitende Mama dem Ende zuneigte, kam dann vor langen Jahren dieser Augenblick, in dem ich wahrnahm, dass ich in den Vorgaben meiner Tage frei war, meinen morgendlichen Wecker abzuschaffen. Das tat ich. Nun ging ich zu Bett, legte mich schlafen ohne Uhr vor Auge und Ohr. Und wachte zeitlos auf – so, wie mein Körper, Geist und Seele dies jeweils als stimmig wählten. Eine unbeschreibliche Wohltat.

Meine Schlafbiografie bildet, erstaunlich genug, auch meine Lebensbiografie ab. Meinen Entwicklungsweg. Der ein langer ist. So fühlt es sich an. Und ist wohl auch so.

Was ich heute kultiviere ist etwas, das ich kaum für möglich gehalten hätte. Und doch bin ich dahin gekommen. Dazu wäre viel zu erzählen. Etwa vom Ausstieg aus dem abendlichen Lesen von Büchern, die anderes tun als mich warm einhüllen. Und vielerlei mehr.

Teilen möchte ich an dieser Stelle einige Kostbarkeiten, die ich als so wertvoll erlebe, dass sie womöglich in diesen wilden Weltenwandelzeiten auch anderen ein Geschenk sein können.

Es sind, und darüber kann ich selbst herzlich lachen: Bücher.

Geschenke zwischen Buchdeckeln, die an meinem Bett bereit liegen. Eine kleine handverlesene Auswahl, die mir kostbar und wertvoll ist.

Neu daran ist: diese Bücher führen mich nicht in andere Welten, sie führen mich zu mir. Der kleinste Leseimpuls lässt mich ganz unmittelbar bei mir ankommen. Bei mir sein und bleiben.

Buch und Brille zur Seite legen wie Licht löschen sind eins.

Ich bin bei mir. Folge meinem Atem. Nehme wahr, was noch an Bildern des Tages auftaucht. Spüre meinen Körper von innen und außen gleichzeitig. Fülle ihn ganz aus. Und bin des Geschenks gewahr, das uns erwartet.

Eine neue Nacht.

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Hier meine Kostbarkeiten fürs zu mir Kommen des abends:

* Thich Nhat Hanh, Und ich blühe wie die Blume. Geführte Meditationen und Lieder – Aurum Verlag

* Antje Sabine Naegeli, Dass die Nacht dir Frieden bringt. Eine Wegbegleitung – Verlag am Eschbach

* John O’Donohue, Landschaft der Seele – dtv premium

Friedensreich ist mir in der aktuellen Zeit hoher Not im Leben meiner Lieben:

* Antje Sabine Naegeli, Die Nacht ist voller Sterne. Gebete in dunklen Stunden – Herder Verlag

Eine Anmerkung:  Dass diese Bücher teils nicht in aktueller Auflage im Buchhandel zu haben sind, hat mich nicht davon abgehalten, sie mir eben doch zu finden und als gebrauchte Kostbarkeiten zu erstehen. So ermutige ich zum fröhlichen Fischen auf dem antiquarischen Buchmarkt. Und wer weiß – womöglich bewegen Nachfragen die Verlage ja zu Neuauflagen.

Eine Erhellung:

Erwähnt sei auch – wenngleich nicht als Einschlafempfehlung – das grandiose Werk von Kat Duff „The Secret Life of Sleep“ von 2014, verlegt bei Oneworld Publications. Große Empfehlung für Menschen, die Freude haben, sich mit den vielfältigen kulturellen, spirituellen, wissenschaftlichen und weiteren Dimensionen des Themas Schlafs zu befassen – ein wirklich außergewöhliches Buch. Leider ist bisher noch keine deutsche Ausgabe in Sicht. Aktuell auf Englisch in Taschenbuch-Ausgabe und als e-book hier.

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5 Kommentare zu “In der Stille der Nacht
  1. Ich bin auch ein großer Fan von Hörbüchern und ja dann bringen mich die Worte von Thich Nhat Hanh, Tepperwein und Tolle oder die Romane von Dörte Hansen und Mariana Leky zur Ruhe

  2. Petra sagt:

    Welch schöner Impuls, “ die neue Nacht als Geschenk, das mich erwartet“, danke dafür Miriam!
    Mir helfen auch die Klanggebete von Giannina Wedde zum Loslassen und in Frieden kommen.

    • Miriam sagt:

      Wie kostbar, um deine, eure herzeigenen Kostbarkeiten bereichert zu werden. Liebe Petra, ich bin beglückt – durch dein Teilen entdecke ich gerade Giannina Wedde und ihre beseelenden Texte, Predigten und Bücher. Herzensdank!

  3. Anne sagt:

    Ganz herzlichen Dank, liebe Mirjam, für die zarten Impulse zur Nacht. Wundervolle Anregungen. Ein weiterer Tipp aus meinem Fundus sind die Gedichte von Alexandra Thoese, die gehören für mich ebenfalls auf den Nachttisch.

  4. Brigitte sagt:

    Liebe Miriam,
    ich bin tief beruehrt von deiner Beschreibung deines Entwicklungsweges, von deinem
    Lebensmut, zu dir zu finden. Es ist etwas besonderes, dass du die Kostbarkeiten, die
    Titel und Autoren von Buechern, die dir Wegweiser geworden sind, mit anderen teilst.
    Brigitte

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