Das Lied der Nachtigall
Meine erste Begegnung mit Nachtigallen schenkte mir eine Berlinreise. Ich war ein Münchner Kind, wuchs im Grünen auf und hatte doch als Teenager nie vorher diese Sängerin gehört. Doch die Inselstadt, damals noch geteilt und weit entfernt davon, wieder Hauptstadt zu werden, schenkte mir in den 70er Jahren dieses tief berührende Erleben. Wann immer wir spätabends von unseren Tagesausflügen ins West-Berliner Quartier im Grünen am Rande der Großstadt zurückkehrten, sangen dort in jenen sommerlich warmen Mai-Nächten die Nachtigallen als gäbe es kein Morgen. Es war überwältigend. Schön. Wundervoll. Kaum zu begreifen.
Bis dahin war mein vertrautes Lied zur Nacht abendlicher Amselgesang gewesen. Ein Wunder und eine Schönheit für sich. Und nun stellte sich also heraus, dass es da auch die nächtlichen Konzerte zu entdecken gab, eines geflügelten, beinah immer unsichtbar verborgen bleibenden, durchaus sehr viel kleineren Wesens.
Jahrzehnte später sollten mich in meiner zweiten Heimat in Mecklenburg Nachtigallen erfreuen von Anbeginn. Sie brüteten in der Südwand unseres uralten Pfarrhofs. In der teilweise offenen liegenden Verkleidung unter Biberschwanz-Ziegeln bauten sie ihr Nest. Gesang inbegriffen. Seit ich vom Dorf ins Städtchen an der Müritz zog, sind es Spaziergänge, die mir kaum zweihundert Meter entfernt von meiner Wohnung mitten im Grünen dieselbe herzberührende Freude schenken. Und das durchaus auch des Tags. Denn Nachtigallen singen nicht nur in der Nacht.
Über diese mein Herz so bewegenden Sängerinnen haben Adam Loften und Emmanuel Vaughan-Lee jetzt einen überaus berührenden Film entstehen lassen. Er begleitet den britischen Sänger Sam Lee. Was dieser so feinfühlige Mensch und Musiker aus seinem Sein – und seinem Singen mit Nachtigallen – an Zugängen zu teilen hat, ist ein Reichtum, der für sich steht.
Der Film vermag uns alle zu berühren, ob wir nun der englischen Sprache mächtig sind oder nicht. Nachtigallen-Gesang, Musik und Emotionen sind international – sie lassen sich auch erleben, wenn wir allein der Schönheit der Bilder und den Melodien folgen, die gesprochen, gezwitschtert, gesungen, getönt und musiziert uns tief berühren und reich zu machen vermögen.
„The Nightingale’s Song“ – hier den Film im Original ansehen