Lieber glücklich als reich

Eine Gesellschaft, die dem allumfassenden Glück der Menschen die höchste Wichtigkeit einräumt – bloß ein schöner Traum? Für Action for Happiness ist es ein Programm. Die vom Ökonomieprofessor Lord Richard Layard in London gegründete Initiative will zu einer Massenbewegung für einen positiven sozialen und kulturellen Wandel werden. Mark Williamson, Director Action for Happines, sagt, wie das gelingen kann. Teil 2 des Interviews wird morgen veröffentlicht.

Was ist das Anliegen von Action for Happiness?

Action for Happiness geht es um eine Veränderung hin zu einer glücklicheren Gesellschaft. Gemeint ist eine Gesellschaft, in der mehr Menschen ein glückliches, ausgeglichenes und erfülltes Leben führen und weniger Menschen ein unglückliches Leben führen, in dem sie sich gefangen, ungeliebt oder unerfüllt fühlen.

Das ist eine einfache Idee. Um sie erfolgreich umzusetzen, benötigen wir allerdings einen tief greifenden kulturellen Wandel – einen, der uns alle herausfordert, den Dingen, die wirklich wichtig sind, in unserem Leben auch tatsächlich den Vorrang einzuräumen.

Tatsächlich bauen wir an einer Massenbewegung für den sozialen Wandel. Unser Ziel ist es, Menschen zusammenzubringen, die meinen, es könnte besser bestellt sein um die Dinge in der Welt. Wir wollen sie ermuntern, mehr zu tun, um das Wohlergehen anderer zu verbessern, und ihnen helfen, Wege zu finden, um selbst ein erfüllteres Leben zu führen.

Letztlich wollen wir dazu beitragen, eine Gesellschaft zu schaffen, die das allumfassende Glück der Menschen an erster Stelle setzt, anstatt sich auf Wirtschaftswachstum zu fokussieren. Wir wollen die Menschen unterstützen, einen von sich selbst besessenen, materialistischen und unbefriedigenden Lebensstil aufzugeben – zu Gunsten einer kooperativen und liebevollen Art zu leben, in der Großzügigkeit, Vertrauen und positive Beziehungen Wertschätzung erfahren. Unser Ziel ist es, Menschen zu inspirieren, sich den Dingen zuzuwenden, die für sie wirklich wichtig sind. Wir wollen ihnen helfen, sich zusammenschließen, um positive Veränderungen in ihren Familien, Schulen, Arbeitsplätzen und Gemeinden zu erreichen.

Was ist das Hauptproblem,  das Sie angehen wollen?

Viele von uns fühlen, dass unsere Gesellschaft ihre Prioritäten völlig falsch setzt. Wir leben in einer zunehmend wettbewerbsintensiven, von sich selbst besessenen Kultur, die uns animiert,  Reichtum, den äußeren Schein, Status und Besitz als Wege zum Erfolg zu verfolgen.  Dies wird unterstützt durch unser politisches und wirtschaftliches System, das ausgerichtet ist auf die Maximierung des Wirtschaftswachstums.

Doch obwohl unsere Gesellschaft als Ganzes immer reicher geworden ist, sind wir tatsächlich nicht glücklicher.  In Großbritannien etwa ist der Anteil der Menschen, die sich „sehr glücklich“ fühlen, im besten Fall gleich geblieben seit den 1950er Jahren – obwohl sich der Reichtum der Briten seither verdreifacht hat. Wirtschaftliches Wachstum allein ist nicht genug, um sozialen Fortschritt zu sichern.

Schlimmer noch: Unser Fokussieren auf Materialismus und einen von sich selbst besessen Individualismus führt zu ernsthaften Problemen in der Gesellschaft. So verzeichnen wir unter jungen Menschen einen großen Anstieg von Ängsten und Depressionen;  die soziale Ungleichheit wächst;  die Zahl der zerbrochenen Familien steigt; bei den Menschen sinkt die Bereitschaft, irgendjemandem oder irgendetwas Vertrauen zu schenken. Längere Arbeitszeiten, wachsenden Umweltprobleme und lähmende Verschuldung sind weitere Beispiele für die Probleme in unserer Gesellschaft.

Zum Glück muss es nicht so sein.  Die gute Nachricht ist: Wohlstand und materieller Besitz sind nicht das Wichtigste, um abzuleiten, ob unser Leben glücklich und erfüllend ist. Indem wir unsere Zeit und Energie auf etwas richten, das bewiesen hat,  das es glücklich macht, können wir ein reiches, lohnendes Leben führen. Zu diesen erprobten Glückfaktoren gehören liebevolle Familien, Freundschaften, ein gesundes Selbstbewusstsein, starke Verbindungen innerhalb einer Gruppe. Es macht glücklich anderen zu helfen, sinnvolle Aktivitäten auszuüben, sich aktiv zu halten und seinem Leben eine spirituelle Dimension oder ein höheres Ziel zu geben.

Keine dieser Ideen sind neu; wir alle wissen instinktiv um ihre Bedeutung, sie sind Ausdruck einer uralten Weisheit. Seit einigen Jahren wird sie auch gestützt durch umfangreiche Forschungen auf dem Gebiet der Positiven Psychologie: Die eben beispielhaft aufgezählten Faktoren haben einen größeren Einfluss auf unser langfristiges Glück und unser Wohlbefinden als unsere Schönheit, Gesundheit, Besitz oder ein gesichertes Einkommen.

Was meinen Sie, wenn Sie von Glück reden?

Mit „Glück“ meine ich die Summe all unserer Gefühle darüber, wie gut unser Leben ist, wobei alle Dinge berücksichtigt werden: unser inneres Leben, Familien, Beziehungen, die finanzielle Situation, Arbeit, Gemeinschaft, Gesundheit, Freizeit und Freiheit. Es umfasst unser Leben als Ganzes, einschließlich unserer Gefühle über die Vergangenheit, unsere aktuelle Situation und unsere Hoffnungen und Erwartungen für die Zukunft.

Unsere momentanen Gefühle von Lust oder Freude sind natürlich wichtig, aber das wahre Glück gründet viel tiefer. Jeder hat seine eigenen Ansichten darüber, was ihn glücklich macht. Doch obwohl sich die Wege zum Glück unterscheiden, möchte ich hoffen, dass sich die meisten Menschen einig sind: Die beste Gesellschaft ist eine mit dem größten Glück und dem geringsten Elend.

Aber wir können doch nicht alle zu jeder Zeit glücklich sein?

Das ist absolut richtig, ein glückliches Leben bedeutet nicht, dass wir immer glücklich sind. Wir alle erleben Tiefpunkte des Leidens, der Enttäuschung und der Traurigkeit. Und es ist sicherlich nicht hilfreich, alles schön zu färben und vorzugeben, dass die Dinge in Ordnung sind, wenn sie es eindeutig nicht sind. Was wirklich zählt, ist, wie wir in schwierigen Zeiten reagieren und wie schwierige Zeiten unseren langfristigen Glückslevel beeinflussen.

Wie zu erwarten, ist unser langfristiges Glück beeinflusst durch unsere Gene und unsere Erziehung, sie spielen eine sehr wichtige Rolle, wie wir unsere Einstellung zum Leben gestalten. Aber wir selbst können unser langfristiges Glück erheblich durch die Art und Weise beeinflussen, wie wir uns unserem Leben nähern. Neueste Erkenntnisse der psychologischen Forschung besagen, dass etwa  40 Prozent unseres Glücks durch unsere Haltung und unsere Entscheidungen bestimmt werden – unabhängig von Genen, Erziehung oder Lebensumständen.

Also: Obwohl wir nicht ausschließen können, dass schlimme Dinge geschehen, können wir entscheiden, wie wir auf diese Umstände reagieren und welche Auswirkungen sie auf unsere allgemeine Lebenseinstellung nehmen.

Ist es nicht ziemlich selbstsüchtig, nach Glück zu streben?

Das ist eine sehr wichtige Frage. Die Antwort hängt davon ab, was wir darunter verstehen, nach Glück zu streben. Zunächst einmal sollten wir anerkennen, dass es fantastisch ist für Menschen, glücklicher zu sein. Glückliche Menschen neigen dazu, bessere Beziehungen zu haben, mehr Geld zu verdienen, sie leben länger und arbeiten besser. Die Forschung zeigt auch, dass Menschen, die sich ausschließlich und zwanghaft nur um ihr eigenes Glück kümmern, mit geringerer Wahrscheinlichkeit glücklich und zufrieden werden. Sich nur auf sein eigenes Glück zu konzentrieren, kann die paradoxe Folge haben, dass es schwieriger zu erreichen ist.
Aus meiner Sicht gibt es einen großen Unterschied zwischen einer rastlosen Suche nach Glück, die einen nur kaputt macht und der Entscheidung, sein Leben in einer glücklichen, sinnvollen und erfüllenden Weise zu führen. Der Versuch, glücklich zu leben sollte nicht ein egozentrisches, hedonistisches Streben sein. Im Gegenteil, die glücklichste Gesellschaft ist eine, wo die Menschen wollen, dass andere auch glücklich sind.

Die Forschung zeigt, dass Menschen, die sich stärker um das Glück der anderen kümmern, dadurch selbst glücklicher und zufriedener werden. Glückliche Menschen wiederum sind großzügiger zu anderen. Deshalb geht es Action for Happiness darum, wie wir  gemeinsam eine glücklichere Gesellschaft bauen können, und  nicht nur, wie wir als Einzelne glücklicher eben können.

Teil 2 des Interviews wird morgen veröffentlicht.

Die Fragen und Antworten sind im Original zu finden unter http://www.actionforhappiness.org/about-us/our-vision. Die Übersetzung ins Deutsche stammt von dem Journalisten Hans Oberländer, 55, aus Hamburg. In 28 Berufsjahren hat er als Redakteur oder freier Mitarbeiter für eine Vielzahl namhafter Magazine gearbeitet hat, unter ihnen Stern, Gala, Wirtschaftswoche, Lufthansa Magazin. Die Erstveröffentlichung fand in seinem MAYmagazine statt und dient lediglich der besseren Information unserer Leser.

Sharing is Caring 🧡
Posted in Projekte Verwendete Schlagwörter: , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Dein Kommentar wird nach der Prüfung freigeschaltet. Bitte beachte, Einschätzungen und Meinungen in Ich-Form zu formulieren und die AutorInnen zu wertschätzen. Nicht identifizierbare Namen (Nicknames), Kommentare ohne erkennbaren Bezug auf den Inhalt des Artikels und Links zu nicht eindeutig verifizierbaren Seiten bzw. zur Eigenwerbung werden grundsätzlich nicht freigeschaltet.