Frieden zwischen den Menschen und mit der (Um)Welt

Foto: NASA/Apollo 17

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Vor mehr als fünfzig Jahren, als die Welt am Rand eines Nuklearkrieges stand, schrieb Papst Johannes XXIII eine Enzyklika, in der er sich nicht damit begnügte, einen Krieg abzulehnen, sondern einen Vorschlag für den Frieden unterbreiten wollte. Er richtete seine Botschaft Pacem in terris an die gesamte „katholische Welt“, fügte aber hinzu: „und an alle Menschen guten Willens“. Jetzt ruft uns Papst Franziskus auf, den Krieg gegen Mutter Erde zu beenden und auf ihr keine neuen zu beginnen.

Und Franziskus I beginnt mit dem ersten Franziskus und erinnert uns an unser gemeinsames Haus und er betont den archetypisch weiblichen Pol, sieht er doch in diesem Haus eine Schwester und erinnert uns an unsere Mutter Erde:
1. „Laudato si‘, mi‘ Signore – Gelobt seist du, mein Herr“, sang der heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt: „Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.“

Und für mich das Kernstück der Hoffnung: Franziskus spricht über sich und seine Entscheidung für diesen großen Namen des kleinen Heiligen aus Apulien, der den Orden der minderen Brüder gründete und sich der Einfachheit und Armut verschrieb.

Franziskus I schreibt im 10. Abschnitt:
„Ich möchte diese Enzyklika nicht weiterentwickeln, ohne auf ein schönes Vorbild einzugehen, das uns anspornen kann. Ich nahm seinen Namen an als eine Art Leitbild und als eine Inspiration im Moment meiner Wahl zum Bischof von Rom. Ich glaube, dass Franziskus das Beispiel schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie ist. Er ist der heilige Patron all derer, die im Bereich der Ökologie forschen und arbeiten, und wird auch von vielen Nichtchristen geliebt. Er zeigte eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Schöpfung Gottes und gegenüber den Ärmsten und den Einsamsten. Er liebte die Fröhlichkeit und war wegen seines Frohsinns, seiner großzügigen Hingabe und seines weiten Herzens beliebt. Er war ein Mystiker und ein Pilger, der in Einfachheit und in einer wunderbaren Harmonie mit Gott, mit den anderen, mit der Natur und mit sich selbst lebte. An ihm wird man gewahr, bis zu welchem Punkt die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar miteinander verbunden sind.

Sein Zeugnis zeigt uns auch, dass eine ganzheitliche Ökologie eine Offenheit gegenüber Kategorien verlangt, die über die Sprache der Mathematik oder der Biologie hinausgehen und uns mit dem Eigentlichen des Menschen verbinden. Wie es uns geht, wenn wir uns in einen Menschen verlieben, so war jedes Mal, wenn er die Sonne, den Mond oder die kleinsten Tiere bewunderte, seine Reaktion die, zu singen und die anderen Geschöpfe in sein Lob einzubeziehen. Er trat mit der gesamten Schöpfung in Verbindung und predigte sogar den Blumen „und lud sie zum Lob des Herrn ein, wie wenn sie vernunftbegabte Wesen wären“. [19] Seine Reaktion war weit mehr als eine intellektuelle Bewertung oder ein wirtschaftliches Kalkül, denn für ihn war jedes Geschöpf eine Schwester oder ein Bruder, ihm verbunden durch die Bande zärtlicher Liebe. Deshalb fühlte er sich berufen, alles zu hüten, was existiert. Sein Jünger, der heilige Bonaventura, erzählte: „Eingedenk dessen, dass alle Geschöpfe ihren letzten Ursprung in Gott haben, war er von noch überschwänglicherer Zuneigung zu ihnen erfüllt. Auch die kleinsten Geschöpfe nannte er deshalb Bruder und Schwester.“

Diese Überzeugung darf nicht als irrationaler Romantizismus herabgewürdigt werden, denn sie hat Konsequenzen für die Optionen, die unser Verhalten bestimmen.
Wenn wir uns der Natur und der Umwelt ohne diese Offenheit für das Staunen und das Wunder nähern, wenn wir in unserer Beziehung zur Welt nicht mehr die Sprache der Brüderlichkeit und der Schönheit sprechen, wird unser Verhalten das des Herrschers, des Konsumenten oder des bloßen Ausbeuters der Ressourcen sein, der unfähig ist, seinen unmittelbaren Interessen eine Grenze zu setzen.
Wenn wir uns hingegen allem, was existiert, innerlich verbunden fühlen, werden Genügsamkeit und Fürsorge von selbst aufkommen.

Die Armut und die Einfachheit des heiligen Franziskus waren keine bloß äußerliche Askese, sondern etwas viel Radikaleres: ein Verzicht darauf, die Wirklichkeit in einen bloßen Gebrauchsgegenstand und ein Objekt der Herrschaft zu verwandeln.

Andererseits legt der heilige Franziskus uns in Treue zur Heiligen Schrift nahe, die Natur als ein prächtiges Buch zu erkennen, in dem Gott zu uns spricht und einen Abglanz seiner Schönheit und Güte aufscheinen lässt: „Von der Größe und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer schließen“ (Weish 13,5), und „seine unsichtbare Wirklichkeit [wird] an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit“ (Röm 1,20). Deshalb forderte Franziskus, im Konvent immer einen Teil des Gartens unbebaut zu lassen, damit dort die wilden Kräuter wüchsen und die, welche sie bewunderten, ihren Blick zu Gott, dem Schöpfer solcher Schönheit erheben könnten. Die Welt ist mehr als ein zu lösendes Problem, sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten.

Mein Aufruf

Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können. Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben. Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen. Ich möchte allen, die in den verschiedensten Bereichen menschlichen Handelns daran arbeiten, den Schutz des Hauses, das wir miteinander teilen, zu gewährleisten, meine Anerkennung, meine Ermutigung und meinen Dank aussprechen. Besonderen Dank verdienen die, welche mit Nachdruck darum ringen, die dramatischen Folgen der Umweltzerstörung im Leben der Ärmsten der Welt zu lösen. Die jungen Menschen verlangen von uns eine Veränderung. Sie fragen sich, wie es möglich ist, den Aufbau einer besseren Zukunft anzustreben, ohne an die Umweltkrise und an die Leiden der Ausgeschlossenen zu denken.

Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle. Die weltweite ökologische Bewegung hat bereits einen langen und ereignisreichen Weg zurückgelegt und zahlreiche Bürgerverbände hervorgebracht, die der Sensibilisierung dienen. Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die Umweltkrise zu suchen, vergeblich zu sein, nicht allein wegen der Ablehnung der Machthaber, sondern auch wegen der Interessenlosigkeit der anderen. Die Haltungen, welche – selbst unter den Gläubigen – die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen. Wir brauchen eine neue universale Solidarität. Wie die Bischöfe Südafrikas sagten, „bedarf es der Talente und des Engagements aller, um den durch den menschlichen Missbrauch der Schöpfung Gottes angerichteten Schaden wieder gutzumachen“. [22] Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten aus.

Papst Franziskus und die Friedenstaube

In „Laudato si“ sagt das erste Mal in der 2000-jährigen Kirchengeschichte ein Papst etwas Substantielles zum Klima- und Umweltschutz, tatsächlich bringt er das Problem auf den Punkt. Er fordert u.a. Schluss mit Kohle, Gas und Öl und den raschen Umstieg auf erneuerbare Energien. Die Privatisierung des Wassers sei eine „Menschenrechts-Verletzung“ und er kritisiert das Wirtschaftswachstum mit Gewinnmaximierung und Ausbeutung der Erde. Er sagt deutlich: aus der Erde werde so eine „Müllhalde“. Er beklagt in klaren Worten Umweltzerstörung, Übersäuerung der Ozeane, die Verwüstung des Planeten und warnt vor Gentechnik und einer Lebensart, die den Reichtum weniger und die Armut vieler fördert.

Er wandelt den Bibelausspruch „Macht euch die Erde untertan“ (Genesis 1,28) in „Macht euch der Erde untertan“und gleich darin John F. Kennedy, der den Amerikanern zurief: „Fragt nicht, was Amerika für euch tun kann, fragt, was ihr für Amerika tun könnt.“

Daraus folgte u.a. das Peacekorps, das so kläglich scheiterte, weil das „Das Schattenprinzip“ übersehen wurde. Da könnten und müssten wir heute weiter sein und uns der Feinde des Friedens und der Ökologie und ihrer Interessen bewusst sein. Franziskus nennt sie die Mächtigen und sie outen sich bereits etwa in der Gestalt eines ihrer Handlanger, Jeb Bush, der US-Republikaner, der der Enzyklika des Papst sogleich entgegensetzte, er lasse sich als US-Präsidentschaftskandidat doch nicht vom Papst seine Wirtschaftspolitik vorschreiben. Natürlich nicht, denn dafür hat er ja die Konzernbosse.

Wir müssen uns entscheiden zwischen der Religion des Geldes und jener der Liebe – zu uns Selbst und den Nächsten („Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“) und sogar Schattenfiguren wie die Bushs einschließen („Liebet eure Feinde“). Nun wenn wir letzteres beherzigen, können wir die Bushs in uns, unseren Schatten, erkennen. Wenn wir im Schatten den Schatz erkennen wie in „Das Schattenprinzip“ dargestellt, haben wir eine Chance im Kleinen wie im Großen.
Leider kommt das Thema Tierschutz oder gar veganes Leben, welche auf die Umwelt und den Hunger in der „Dritten Welt“ den größten und positivsten Einfluss haben könnten, noch gar nicht vor. Das könnte der nächste Schritt sein.

Alles auf einmal einzufordern, ist leicht, aber nicht realistisch. Wenn der Papst in dieser Richtung weitergeht, muss er zwingend dort landen, zwingend auch weil es der Weg und das Feld seines Namenspatrons ist. Immerhin hat er auch schon geäußert, Tiere hätten eine Seele.
Da klafft noch eine weite Kluft zwischen dem Heiligen Franzsiskus und den Fürchterlichkeiten, die päpstliche Vorgänger von Franziskus I im bis heute gültigen Katechismus verankert haben.

Der Weg zu dem, was der Heilige Franzsikus vor 800 Jahren vorgelebt hat, bleibt also noch weit. Wenn wir es aber schaffen in den Geist dieser Enzyklika einzutauchen und die Mächtigen ebenfalls dazu zu bewegen, ist Hoffnung angesagt. Das wird nur gelingen, wenn wir sie zwingen, indem wir all ihre gegenteiligen Versuche unterlaufen, ihre politischen Attentate wie TTIP mit Petitionen boykottieren, ihnen gefügigen Politikern das Mandat entziehen, ihre Schrott-Ernährung verweigern und mit dem Einkaufskorb abstimmen.
Es lohnt unbedingt, die ganze Enzyklika zu lesen (hier), sie ist eine Quelle der Hoffnung, aber auch ein detailliertes Buch zur ökologischen und seelischen Misere der Gegenwart.

dahlkeZur Person: Dr. med. Ruediger Dahlke arbeitet seit 37 Jahren als Arzt, Autor und Seminarleiter. Mit Büchern von „Krankheit als Weg“ bis „Krankheit als Symbol“ begründete er seine ganzheitliche Psychosomatik, die bis in mythische und spirituelle Dimensionen reicht. Die Buch-Trilogie „Schicksalsgesetze“, „Schattenprinzip“ und „Lebensprinzipien“ bildet die philosophische und praktische Grundlage seiner Arbeit. Ruediger Dahlke nutzt seine Seminare und Vorträge, um die Welt der Seelenbilder zu beleben und zu eigenverantwortlichen Lebensstrategien anzuregen.

Sein Ziel, ein Feld ansteckender Gesundheit aufzubauen, spiegelt sich in Büchern wie „Peace Food“ und „Buch der Widerstände“, aber auch in der Verwirklichung des Seminarzentrums TamanGa in der Südsteiermark. Hier lebt er seit 2012. Mehr bei dahlke.at

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