Rituale für Übergangszeiten

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Nicht nur bei Hochzeit, Geburt und Tod begegnen wir Übergängen in unserem Leben. Immer wieder gibt es da jene kleinen Tode und Feiermomente, die bewusst begangen werden wollen: das Ende einer Freundschaft, der Beginn einer neuen Beziehung, der Umzug an einen anderen Wohnort, der Wechsel der Arbeitsstelle, der Start in eine dreimonatige Auszeit.

Wie viele dieser Übergangszeiten passieren einfach, ohne dass wir sie bewusst begehen? Vielleicht spüren wir ein Gefühl der Freude, der Angst, der Neugierde oder Unsicherheit – doch nur selten richten wir uns bewusst auf diesen Moment des Dazwischenstehens in unserem Leben aus, in dem das Alte nochmals gesehen, gewürdigt und verabschiedet werden will und das Neue erahnt und willkommen geheißen werden darf.

Eine, die solche Übergänge bewusst macht und begleitet ist Simone Gantner, Ritualschaffende und transformation in natura® Coach aus der Ostschweiz. Sie begleitet Menschen in Übergangszeiten mit individuellen Ritualen und Auszeiten und bietet ebenso Rituale für Gruppen – wie Naturrituale im Jahreskreis oder eine Waldzeit-Visionssuche – an.

Welcher Wert in Ritualen für unser Leben steckt, warum sie uns in der Gesellschaft fehlen und wie wir uns selbst mit Ritualen heilsam auf unserem Lebensweg begleiten können, darüber hat Sabrina Gundert mit ihr gesprochen.

Liebe Simone, fehlen uns Rituale in unserem Leben und in der Gesellschaft, mit denen wir Übergänge bewusst gestalten?

Ja. Leider sind sie uns in unserer Kultur im Laufe der Zeit immer mehr abhanden gekommen. Unsere Mythen und Bräuche erinnern teilweise noch an die Rituale unserer Vorfahren, auch wenn die ursprünglichen Bilder meist sehr überlagert sind von verdrehten Bildern, die unsere Kultur darüber gelegt hat. Diese Rituale waren immer Abbild der Bewegung der Natur und der Jahreszeiten. In unserer Kultur ist das zyklische Verständnis des Lebens und damit das Wissen um die Kraft der Übergänge abgelöst worden von einem linearen Fortschrittsdenken. Das lässt uns kaum mehr Raum, der natürlichen Bewegung des Lebens zu folgen. In die gehört der Winter, das Loslassen und Ruhen genauso dazu wie die Fülle und das Tun im Sommer. Folge davon ist eine zunehmende Sinn- und Orientierungslosigkeit in unserer Gesellschaft. Es fehlen uns gesunde Bilder, an denen wir uns ausrichten können und in die wir unser Tun und unser Leben sinnhaft einbetten können.

Warum sind Rituale so wertvoll? Wobei können sie uns auf unserem Lebensweg begleiten? Was wird durch sie möglich?

Rituale unterstützen dich darin, wichtige Übergänge in deinem Leben zu bestärken und sichtbar zu machen. Sie bringen ans Licht, welche Schritte oder auch Korrekturen nötig sind, damit deine Lebensbewegung im Fluss bleibt. Ein Ritual zu feiern bedeutet anzuerkennen, dass du Teil bist von der großen Lebensbewegung im Kreislauf von Wachsen und Vergehen. Du ordnest dich und dein Leben ein in diesen Kreis, oder vielmehr in diese Spirale. Das gibt deinem Leben Sinn, Ausrichtung und Kraft. Du erfährst, dass du eingebunden, verbunden, Teil bist vom Großen Ganzen.

Feuer der Verwandlung Was ausgedient hat brenne, im Feuer der Verwandlung, wir vertraun dem leeren Raum, wir vertraun dem leeren Raum.

Lied von Simone Gantner anhören auf www.natur-ritual.ch

Ganz konkret: Wie kann solch ein Ritual aussehen – beispielsweise für einen bevorstehenden Umzug, den Beginn einer neuen Arbeitsstelle oder einen runden Geburtstag? Kann ich solch ein Ritual auch alleine begehen oder brauche ich in jedem Fall jemanden dazu, der mich begleitet?

Jedes Ritual ist sehr persönlich gefärbt von den jeweiligen Lebensumständen und ist daher ein Kunstwerk für sich. Was es jedoch gibt sind Landkarten, die die Gesetzmäßigkeiten aufzeigen, nach denen sich Lebens-, Wandlungs- und Entfaltungsprozesse vollziehen. Ich persönlich arbeite mit dem Lebenskompass, einem europäischen Lebensrad. Bei der Vorbereitung lege ich das jeweilige Ereignis in dieses Rad und bekomme dadurch Orientierung für das Ritual und die notwendigen Schritte am jeweiligen Übergang. Jedes Leben folgt in seinem eigenen Muster diesen natürlichen Gesetzmäßigkeiten. Diese Einordnung gibt dem Ritual Kraft und Tiefe.

Ein Ritual erfordert immer auch Hingabe, ein sich Einlassen von den Beteiligten. Je klarer ein Raum von außen gehalten ist, desto mehr kann die Person an der Schwelle selber eintauchen in das Erleben. Deshalb empfehle ich für wichtige Übergänge professionelle Begleitung.

Ist es egal, wie groß oder klein ein Ritual ist?

Was im Ritual zählt ist die innere Klarheit und Ausrichtung. Wissen und formulieren, was das eigene Anliegen ist und sich damit an eine größere Kraft wenden (Gott, Natur, Engel, …) mit einer symbolischen Geste. Und dann ganz loslassen und der Antwort lauschen. Das ist alles, was es braucht für ein wirkungsvolles Ritual. Wie und in welchem Umfang das Ritual gestaltet wird, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, es mit heißem Herzen zu tun.

Wie bist du selbst zur Ritualarbeit gekommen? Wie begleiten dich Rituale in deinem Leben und besonders in Übergangszeiten?

Immer schon hat mich die Frage fasziniert, wie sich Menschen dem Großen Mysterium (manche nennen es Gott) zuwenden und sich damit verbinden. Ich habe verschiedene religiöse und spirituelle Traditionen und ihre Rituale ausprobiert. Da folge ich wohl der tiefen Sehnsucht der Seele. Der Sehnsucht nach Anbindung an die Ebene, aus der wir kommen und in die wir zurückkehren nach dem Tod, die Sehnsucht nach Verbindung mit diesem Raum. Ein inneres Wissen darum, dass mein Leben nur inspiriert und beseelt sein kann, wenn diese Verbindung lebendig ist und trägt.

Rituale begleiten mich durch den Jahreslauf, durch mein Leben, in Zeiten des Übergangs. Indem ich all die Schwellen, die ich im Leben immer wieder zu überschreiten habe, bewusst übertrete, binde ich mich an an den großen Kreislauf des Lebens, den ständigen Wechsel von Wachsen, Blühen, Reifen, Loslassen, Sterben, Wandel, Geburt. Rituale geben mir und meinem Leben Sinn, Tiefe und Halt.

Wenn eine Frau für sich und ein bestimmtes Anliegen ein Ritual gestalten möchte, was kannst du ihr mit auf den Weg geben? Wie kann sie ganz konkret anfangen, wenn sie vielleicht bislang noch nie ein Ritual gestaltet hat? Was braucht sie hierfür?

Mache dir dein Anliegen bewusst und schau, was für Bilder dazu auftauchen, welche Handlung dazu passen würden. Das kann zum Beispiel ein bewusster Schnitt sein, einen Samen setzen, …. Wichtig ist deine Absicht dahinter. Bereite also alles vor, was du brauchst. Suche einen geeigneten Platz. Wenn du gerne kreativ bist, kannst du ihn schmücken. Wenn du gerne Zeugen möchtest, lade Menschen dazu ein. Ruf dann die Kraft oder Kräfte an, an die du dich mit deinem Anliegen wenden möchtest. Das kannst du in Stille tun oder tanzend, singend, trommelnd, …. Sprich dann dein Anliegen am besten laut aus und vollziehe die Handlung beziehungsweise Geste, die du dir überlegt hast. Lass sie wirken und lausche mit all deinen Sinnen. Manchmal kommt eine Antwort sofort, manchmal erst später, oft auf unerwartete Weise. Bedanke dich am Ende bei den Kräften, die du gerufen hast. Ein klarer Anfang und ein klares Ende – wie etwa eine Kerze zu Beginn anzuzünden und am Schluss wieder auszublasen – sind wichtig, um den rituellen Raum klar vom Alltag zu trennen.

Vielen Dank, liebe Simone!

Mehr zu Simone Gantner und ihrer Arbeit auf www.natur-ritual.ch
Lesenswert auch das Buch von Ursula Seghezzi zum Thema: „Kompass des Lebens“.

Sabrina Gundert ist Autorin von „Auf dem Herzensweg – Lebensgeschichten spiritueller Frauen“ und „Hab Mut und geh – Das Herzensweg-Praxisbuch“. Sie begleitet Frauen und Männer mit dem Ganzheitlichen Coaching, ihren Seminaren, Aus- und Fortbildungen, den persönlichen Seelenbotschaften wie ihren Büchern auf dem Weg zurück zu sich selbst, in ihre Kraft und damit zu dem, was ihnen wirklich wichtig ist. Sie lebt in Engen nahe des Bodensees und bietet ihre Arbeit dort und online an. Aktuell schreibt sie an einem Buch zu Übergangszeiten in unserem Leben.
www.sabrinagundert.de

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Gastbeitrag
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