Aus der einen Liebe geboren
oder: Es gibt gute Gründe auch für ungutes Verhalten! Von Imke Rosiejka Universelle, bedingungslose Liebe? Gibt es die überhaupt? Und wenn ja, muss ich dann auch die Menschen und Dinge lieben, die mir so gar nicht in den Kram passen? Die mich aufregen, verärgern, schlicht meinen Erwartungen nicht entsprechen? Oder schlimmer noch, mich gar verletzen?
Wenn ich heute in die Welt schaue, fällt es mir oft schwer, mich immer wieder daran zu erinnern, dass alles / wir alle aus dieser einen bedingungslosen Liebe geboren sind.
Da gibt es Menschen, die sich auf der einen Seite anmaßen, über andere Menschen zu bestimmen, ihnen die Ebenbürtigkeit abzusprechen, sie zu unterdrücken, ihre Machtgelüste an ihnen auszuleben. Sie treten die Würde des anderen mit Füßen, missachten alles, was Menschlichkeit und respektvollen Umgang miteinander ausmacht. Sie beanspruchen auf der anderen Seite genau das für sich, was sie ihrem Gegenüber vorenthalten. Da fällt es mir oft schwer, diese Menschen und ihr Verhalten nicht zu verurteilen.
Ohne Zweifel, Freunde machen sie sich nicht … Sie schüren Angst und saugen ihre Energie daraus.
Aber Angst ist nur scheinbar die andere Seite, die Gegenspielerin der Liebe! Alles in mir wehrt sich dagegen, diese Seite zu bedienen, dieses Spiel zu spielen. Und doch ist sie, die Angst auch in mir und will, genau wie alle anderen meiner Anteile gesehen und gehört werden. Sie hat ihre Daseinsberechtigung wie alles andere, sonst gäbe es sie nicht.
Wie kann es dazu kommen, dass einige Menschen die Angst derart in sich tragen, dass sie auch nach außen reagieren „müssen“? Dass sie wie in die Enge getriebene Wildtiere mit Aggression reagieren?
Ich bin der festen Überzeugung, dass in allen Menschen der Funken bedingungsloser Liebe angelegt ist und glimmt. Dass aber in manchem Leben so viele seelische Verletzungen geschehen sind, dass diese heilige Flamme mit tonnenschweren Schutzwällen aus Angst und Aggression zugedeckt ist, um sie zu schützen. Und dass diese Mauer manchmal so hoch und undurchdringlich ist, dass niemand sie zum Einsturz zu bringen vermag.
Sind die, die heute Täter sind, nicht zuallererst Opfer gewesen? Haben sie nicht oftmals selbst verletzende und zerstörerischen Erfahrungen gemacht, deren Wiederholung sie nun durch ihr Verhalten zu verhindern versuchen? Wenn sie selbst Opfer waren, verdienen sie dann nicht mein Mitgefühl?
Es ist sicher eine Herausforderung, den Schmerz dieser Menschen zu sehen, bei dem wie sie sich aufspielen, um ihre eigene Würde zu schützen und nicht wieder leiden zu müssen. In unruhigen Zeiten wie heute tritt auch das deutlicher zu Tage – die Angst ist gegenwärtig, wird oft noch von außen geschürt … und dementsprechend nehmen vielerorts auch die nach außen tretenden Erscheinungsformen dieser Angst zu.
Die einen werden „einfach nur“ krank vor Sorge, die anderen schlagen auf den ein, der vermeintlich schwächer ist, um ein Gefühl von „Ich habe alles unter Kontrolle“ nicht zu verlieren.
Was heißt das für mich?
Ich brauche nur das Bild betrachten und weiß, dass es den Kern dessen trifft, was für mich jetzt wichtig ist – bevor ich andere verurteile, will ich bei mir anfangen aufzuräumen, den Balken aus dem eigenen Auge ziehen, bevor ich mein Gegenüber auf seinen Splitter aufmerksam mache und von ihm verlange, dass er ihn entfernt.
Was hilft mir dabei?
Als erstes frage ich mich: ‚Wer bin ich, diesen Menschen zu verurteilen?‘
Ich habe in meinem alten und angstvollen Leben auch oft genug „draufgeschlagen“ (Gott sein Dank nur im übertragenen Sinne), um mich zu schützen … vor allem davor zu schützen, mir diese alte, mich von innen vergiftende Wunde anzuschauen, weil ich den Schmerz nicht wieder spüren wollte:
Wie also soll ich jemanden für etwas verurteilen, das ich selbst so gut kenne?
Und ich frage mich: ‚Wie kann ich damit umgehen?‘ Was hat mir geholfen, diese Wunde zu schließen?‘
In aller erster Linie hat mir geholfen, dass es da jemanden gab, der mir gezeigt habt, wo mein heiligster Ursprung ist – mal ehrlich, ich konnte mich am allerwenigsten selbst leiden, wenn ich wie ein Terrier um mich gebissen habe. Denn ich wollte ja Nähe, verstanden werden, geliebt sein und habe mich für mein verhalten oft geschämt, weil ich wusste,
dass es nicht richtig und gut für mich ist.
Diesen heiligen Kern in mir zu spüren, zu fühlen, dass da etwas ganz wundervolles in mir angelegt ist, und dann mich nach und nach zu trauen, diesen Kern, diese heilige Flamme offenzulegen, den Mut aufzubringen, die Wunden zu sehen, zu verstehen, wo sie herkommen, was sie tatsächlich mit mir zu tun haben … und denen zu vergeben, die mir diese Wunden zugefügt haben, weil sie selbst verletzte Kinder waren, das hat mir die Tür und mein Herz geöffnet.
Wenn ich also heute in die Welt schaue, sehe ich unendlich viele verletzte Kinderseelen in den Körpern von erwachsenen Menschen.
Und ich schließe mich dem Gebet von Marianne Williamson an, dass Bettina dieser Tage hier veröffentlicht hat:
Lieber Gott,
Möge dieser Moment
von tiefer Unruhe
ein Fieber sein, das dient
um uns rechtzeitig zu heilen.Machen wir das Beste aus dem, das wir
wiederauferstehen in Herrlichkeit
und unsere Schattenplätze
sich in Licht auflösen.Segne die Liebenden
und heile die Hassenden.
Einen Weg für unser Land zu ebnen
aus dem Schmerz
und in den Frieden.Gib uns Kraft
und zeig uns den Weg
um unser Land zu einem besseren Ort zu machen.
Mehr zu meinem Weg aus der Angst in die Freude und Liebe findest du auf www.imke-rosiejka.de
Vielen lieben Dank für diese so persönlichen Worte. Es braucht m.E. in dieser Zeit Menschen, die den Mut haben, sich ehrlich mitzuteilen.
Ich habe zu danken, lieber Björn,
für …
– die Wertschätzung, die in deinem Kommentar liegt,
– die Begleiter, die mich diesen Mut lehrten,
– die Menschen in meiner Umgebung, die diese offenen Worte aushalten, was ganz sicher auch nicht immer ein Spaziergang ist,
– die Menschen, die sich davon anstecken lassen,
– die Menschen, die ich auf diesem Weg kennen- und schätzenlernen darf,
– diese Plattform, auf der ich mich ausdrücken und meine Gedanken teilen kann (Dank also auch an Bettina, die diesen Raum offen hält!) …
Bleib behütet und in der einen Liebe geborgen!
Herzengruß
Imke
Ich danke dir, lieber Björn, für dein Feedback.
Ich bin dankbar dafür, Menschen an der Seite zu haben, die mich immer wieder ermutigen, die mich mit der Offenheit aushalten (auch den Spiegel aushalten, der ich damit unweigerlich bin) und freue mich über jede/n, die/der sich anstecken lässt, diesem Weg ebenfalls nachzuspüren.
Bleib behütet!
Herzensgrüße
Imke
Imke
Sehr treffende Worte, die jeden von uns an entsprechende Situationen erinnern werden und uns immer wieder erinnern sollten, das Reflektieren nicht zu vergessen. Danke für diese augenöffnende Erkenntnis.
Danke, liebe Micky, für dein aufmunterndes Feedback!
Ich wünsche uns allen diesen Blick hinter die Fassaden und in die Seelen der verletzen Kinder – ich bin der Überzeugung, dass nur so innerer und äußerer Frieden einkehren kann.
Bleib behütet.
Herzensgrüße
Imke