Das Pendel – Geschenke auf dem Weg

Während ich dabei bin, mein Geschirr zu spülen, wird an diesem leuchtenden Frühlingsmorgen vor meinem inneren Auge unvermutet der goldene Moment lebendig, als mir vor langen Jahren meine Körper-Psycho-Therapeutin das Bild schenkte vom Pendel. Des Pendelns zwischen verschiedenen Zuständen. Emotionen.

Sehr klar eröffnete sie mir die mich vollkommen überraschende Einsicht, dass unsere Gefühle sich von Augenblick zu Augenblick wandeln. In ihrem Bild des ruhig sich wiegenden Pendels, das sie mir anschaulich machte durch die Bewegung ihrer Hand, lag für mich damals ein unmittelbarer Segen. Das staunende Erkennen: ein mich zu jener Zeit oft, so oft überwältigendes Gefühl der einen oder anderen „negativen“ Art bleibt – NICHT. Buchstäblich. Es wandelt sich. Ein anderes kommt. Geht. Da ist nichts, was im Innenraum des Erlebens einen IST-Zustand halten könnte.

Mein Begreifen hatte die Qualität einer Befreiung. Aus der Enge. In die WEITE. Ein Segen. Entlastend. Öffnend. Eine Saat, die mich Schritt für Schritt in eine Freiheit gehen und mich zahllose Geschenke entdecken ließ, die mir zu Erde, Sonne, Wind und Regen wurden, um diese Saat aufgehen zu lassen.

Zu jener Zeit praktizierte ich schon eine ganze Weile die von Marshall B. Rosenberg entwickelte, in den 1970er Jahren von ihm so genannte Gewaltfreie Kommunikation (GFK). Und nun zeigte sich mir ein weiteres Feld: eben gerade durch Rosenbergs Weg entdeckte ich eines Tages auch „meine“ Achtsamkeitspraxis.

Ich hatte mich an verschiedenen Angeboten zur Achtsamkeit versucht, meine Therapeutin hatte mir eine tägliche Praxis dringlich ans Herz gelegt. Und ich begriff, dass es da etwas Wesentliches zu tun gab. Dennoch fand ich keinen Zugang. Verschiendene AutorInnen waren nicht mein Geschmack, waren für mich hellfühliges Wesen einfach nicht die Richtigen. Manche Übersetzungen aus dem Englischen ließen mich stolpern, Hör-CDs schienen nicht aus dem Herzen heraus eingesprochen. Sodass ich einigermaßen ratlos war, wo die Inspiration und Anleitung für mich herkommen könnte.

Da entdeckte ich auf einer GFK-Familienfreizeit Steffi Höltje, die zur „Sprache des Herzens“ auf eine Wiese am See einlud. Und da wars. Endlich bekam ich den Faden in die Hand. Wurde Schülerin, Lernende, Praktizierende bei Steffi Höltje und Margret de Backere. Die beiden gehen ihren Weg seit langem gemeinsam. Ihr in tiefer eigener Praxis entstandener Weg ist die reiche Verbindung von Rosenbergs GFK mit der wunderbaren Achtsamkeitspraxis Thich Nhat Hanhs, ihres großen vietamesischen Lehrmeisters. So reich und friedensstiftend kam nun auch dieser Weg in mein Leben.

An dieser Stelle noch einmal zurück zu meiner Therapeutin und Wegbegleiterin für einige Jahre, meine Psychotherapeutin. Sie hatte mir damals das Bild des Pendels geschenkt. Wesentlich darin auch dies: der Punkt, der die Achse des sich schwingenden Pendels kennzeichnet, eben gerade er ist – bildlich gesprochen – der Ort des ICH BIN. Der Standort der Beobachterin. Der Ort der Ruhe, des Innehaltens. Der da ist. IMMER. In den ich einkehren kann, zu jeder Zeit. Eine so klares wie anschauliches und elementar wertvolles Bild für Wege der Meditation, die ich mir nach und nach begann zu erschließen.

Ob es vorher war oder irgendwann nach ihrem so lebensverändernden Pendel Geschenk an mich, weiß ich heute nicht mehr. Jedenfalls erinnere ich lebhaft, dass ich einmal zu Beginn einer Therapiesitzung gerade dabei war von etwas Quälendem zu erzählen und noch kaum angefangen hatte, als sie mich ansah und unvermittelt fragte: Wollen Sie jetzt da hin, Frau Licht? Ich war schockiert. Und dann ging mir buchstäblich ein Licht auf. Nie vorher war mir je in den Sinn gekommen, dass ich eine Wahl hätte. Zu entscheiden, ob ich meinen Fokus auf ein Erleben, eine notvolle Emotion lege. Wann ich darüber spreche. Und wie. Auch: ob ich ins Drama einsteige. Mir die stets vorhandene eigene WAHL sichtbar werden zu lassen, war das zweite große Geschenk, das sie mir machte. Das ich erkannte. Das mich erreichte.

Und von dort aus begann ich staunend zu entdecken: im Erinnern wie im Sprechen über Erlebtes entscheide ich mich neben dem Aufrufen äußerer Ereignisse gleichzeitig immer auch für die Wiederholung der an die Situation gebundenen Emotionen. Eben gerade hier in meinem Jetzt. Und das ist ein weiteres segensreiches Werkzeug. Zu wissen, ich bin es, die sich entscheidet. Auch dafür: mich bewusst und absichtsvoll hineinzubegeben in die Fülle der kostbaren Erinnerungen der Schönheit, der Segensmomente, die meine Freude jetzt und hier, nährend, wärmend, stärkend wieder und wieder aufs Neue da sein lassen.

Zur Forscherin der Stärkungen, der Schönheit, der Freuden zu werden, die mein Leben reich machen, dazu hat mich in der Folge auch sehr innig Barbara Sher mit ihrem reichen „Book Club“ Angebot der praktizierten Verbundenheit inspiriert. Auch sie eine Lehrmeisterin auf meinem Weg. Ihr markantes Wort „Isolation is the dreamkiller – not your rotten attitude“ („Isolation macht, dass deine Träume sterben – nicht deine miese Haltung“) hat mich begreifen lassen, dass wir soziale Wesen sind, die grundlegend in unserer Verbundenheit ins Strahlen zu kommen vermögen. Das hat große Tore geöffnet, die zuvor verschlossen gewesen waren.

Alles, buchstäblich ALLES alleine schaffen zu müssen, war die längste Zeit die unbewusste Strategie, die geheime Überzeugung in mir gewesen, mit der ich – natürlich – gründlich scheitern musste. Um mich aus meinem Scheitern heraus allmählich und Schritt für Schritt neu ins Leben zu gebären. Verbundenheit zu bestaunen, sie zu wagen, geschenkt zu bekommen. Um mich zu weiten fürs Dasein als Mensch. Im Miteinander. Als die eine, die ich bin. Unter vielen.

Wie erstaunlich dieses Leben ist. Dies stetige Lernen und Erfahren. Das Entdecken festsitzender Knoten. Das Auflösen alter Irrwege. Freiheit zu wagen.

Es ist eine Menge Arbeit, so erlebe ich es. An ihr führt kein Weg vorbei. Und es lohnt sich. Ist reich. Getragen durch jenes „spielerisch und leicht“ zu dem Sabine Bobert inspiriert, schenkt es mir fröhlich sich mehrende Luftblasen, die die wechselvollen Wasser ins Fließen bringen, die Leben heißen.

Genussvoll, klärend, lebendig. Urkomisch. Staunenswert.

Und so schön.

……………………

MEHR Inspiration:

Marshall B. Rosenberg https://archive.org/details/Gewaltfreie-Kommunikation_Marshall-Rosenberg_Lange-Nacht-DLF-2017

Thich Nhat Hanh https://plumvillage.org/de/#filter=.region-eu

Steffi Höltje & Margret de Backere, steffi-margret@t-online.de für Kontakt, Termine, newsletter

Barbara Sher https://barbarasclub.com/

Prof. Dr. Sabine Bobert:

Prof. Sabine Bobert – Mystik, Lebendigkeit, Menschsein

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12 Kommentare zu “Das Pendel – Geschenke auf dem Weg
  1. Liebe Miriam!
    Hab von Herzen Dank für das Erinnern an die Geschenke, die ich oft bereits vor langer Zeit vom Leben bekommen habe, die im Laufe der letzten Jahre durch die Bedingungen, die ich mein Leben bestimmen ließ, in Vergessenheit geraten sind. Und für das Erinnern daran, dass ich immer die Wahl habe, in welche Richtung ich mich wenden will.
    Gerade heute ist dieses Erinnern dein wunderbares Geschenk an mich, das mich beglückt, innehalten lässt, schauen lässt, nachspüren lässt.
    Wo will ich hin? Mit wem will ich sein und teilen? Mit wem bin ich in Dankbarkeit verbunden? …
    DANKE

    Herzensgrüße
    Imke

  2. Liebe Frau Licht, Ihr Text hat mich sehr berührt, mitgenommen, mich freuen lassen, mich auch genau an solche Momente im Leben erinnern lassen. Momente, in denen man etwas von Grund auf begreift und durchdringt – und plötzlich ändert sich dadurch die ganze Welt. Danke von Herzen fürs Teilen.
    Claudia Häntschel

    • Miriam sagt:

      „… und plötzlich ändert sich dadurch die ganze Welt“. So trefflich ausgedrückt, liebe Claudia Häntschel, was für eine Qualität unser von Grund auf neu begreifen für uns haben kann. Wie schön, die ureigene Freude an solchen Momenten zu genießen lesend! Herzliche Grüße

  3. Andrea sagt:

    Liebe Miriam,
    immer, wenn ich von Dir Beiträge lese, berührt mich schon als Erstes Dein wunderschöner Name…MIRIAM LICHT…ein herrlicher Klang und Schwingung ist schon darin.
    Dein Beitrag heute hat mich tief berührt und erinnert. Das Pendel ist ein kraftvolles Werkzeug und Geschenk. Es hat mich heute wieder einmal daran erinnert, mit dem höheren ICH auf die gerade erlebte Situation zu schauen und wie Du so trefflich schreibst, „die Wiederholung der daran gebundenen Emotionen“, nicht noch einmal zu erfahren.
    DANKE, DANKE, DANKE für diesen ausführlichen ER-LEBENSBERICHT,
    herzlichst grüßt Dich Andrea.

    • Michelle sagt:

      Mir geht es auch so, dass ich immer wieder staune und mich erfreue über den wunderschönen Namen Miriam Licht <3.

      Und ich schliesse mich an in grosser Dankbarkeit für diesen wunderschönen, berührenden Text.
      Von Herzen
      Michelle

    • Miriam sagt:

      Liebe Andrea, das Wunder des Teilens – dank dir für DEINS. Eine Inspiration und er-Innerung wiederum für mich. Meinem Namen – wie meinen Beiträgen – zuzulächeln macht mein Herz staunen. Und WEIT! Dank dir für deinen liebevollen Zuspruch voll Verbundenheit

  4. Liebe Miriam,
    auch von mir einen herzlichen Dank für die Schilderung deiner Erfahrungen.
    Das Leben ist so reich, wenn wir uns dafür öffnen können.
    Und wir bekommen so viel Unterstützung, die so oft erst im Nachhinein erkennbar wird.
    Das Bild mit dem Pendel konnte ich direkt heute schon weitergeben und mir selbst wird es auch hilfreich sein.
    Liebe Grüße Dörte Luna’Him

    • Miriam sagt:

      Liebe Dörte Luna’Him, dein Teilen lässt in mir das Lied erklingen „ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich still und leise, und ist er noch so klein, er zieht doch weite Kreise“ das mich schon in ganz jungen Jahren getröstet und gewärmt hat. Wundersam zu entdecken, wie auch mein eigenes Tun weite Kreise zu ziehen vermag. Dank dir, fürs mich wissen lassen! Alles Liebe dir

  5. Anna Daskaloudi-Lampe sagt:

    Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Text – für das Mitteilen und Weitergeben. Dieser Text wird mich sicher noch eine ganze Weile begleiten und wird mir Inspiration und ein Stück innere Führung sein.
    Danke auch für die Erinnerung an Prof. Dr. Sabine Bobert – ich durfte sie schon zwei Mal live erleben – herrlich.
    Herzliche Grüße 💠

    • Miriam sagt:

      Liebe Anna, langsam, langsam und vorsichtig wage ich mich dran, anzunehmen, was du mir zusprichst, erzählst, teilst. Große Worte für meine manchmal wackelige Seele, die du mir schenkst: „begleiten, Inspiration, ein Stück innere Führung“. Ich atme ein, ich atme aus. Und FREU MICH! – So schön auch dein „herrlich“ zu Prof. Dr. Sabine Bobert. Mir gehts im online Erleben schon so erfüllt, wie du’s aus live Begegnungen beschreibst. Frohes Sein dir in all der segensreichen Fülle.

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