Von Pflanzen und Maschinen

Foto: Evelin Rosenfeld

Ich brauche all die Nachrichten und Ereignisse gar nicht aufzuzählen, die in der Öffentlichkeit kursieren. Ich brauche mich nur in meinem Umfeld und im persönlichen Leben meiner Mitmenschen umzusehen um festzustellen, daß viele am Ende ihrer Kräfte angekommen sind.

Etwas geschieht hier – offenbar kollektiv und global – das immer schneller getaktet ist, immer systematischer, einheitlicher, kompromissloser unser Leben strukturiert und bestimmt.

Für Menschen, die ein intensives Seelenleben haben, ist diese Entwicklung wie eine Zerreißprobe. Die zunehmende Steuerung unserer gemeinschaftlichen Prozesse durch Maschinen steht in starkem Widerspruch zum menschlichen Sein, das neben Funktion eben auch Schweifen, Werden, Freude, Vielfalt und Wandlung braucht.

Maschinen brauchen Struktur, Einheitlichkeit, feste Regeln und wiederkehrende Abläufe. Ohne das können sie nicht funktionieren. Für uns Menschen ist das wesensfremd – auch wenn unsere Sehnsucht nach Sicherheit uns in diese Richtung verführt hat. Das Menschliche ergibt sich ja erst aus dem empfundenen Wahrnehmen, aus dem kreativen Gestalten und aus dem lebendigen, erneuernden Wachstum. Eben aus dem, was wir „Seele“ nennen. Es fühlt sich für mich derzeit so an, als ob der Raum für eben dieses Seelische, für das, was uns zu Menschen macht, immer enger wird.

Und doch habe ich die Hoffnung, daß immer mehr Menschen erkennen, wo sie mit ihrem Tun dieses Maschinenhafte fördern – und daß sie den Mut und die Einsicht finden, sich mit allen Konsequenzen dem Menschlichen, dem Seelenhaften wieder zuzuwenden.

Ich bin heilfroh, daß ich in den vergangenen sieben Jahren hier auf Aditi einen maschinenfreien Raum geschaffen habe, in dem das Wirken der Pflanzen im Vordergrund steht. Das Lärmen und Hacken und Kontrollieren der Maschinen und ihrer menschlichen Bediener ist zwar vernehmbar – doch hier auf diesem Berg haben diese grünen Wesen, die blühen und wachsen und sich geben, die Raum sind und Raum schaffen, das Zentrum.
Nicht alle Menschen haben die Möglichkeit, so viel von dieser Seelenenergie um sich zu sammeln, leben in hämmernden Städten, arbeiten in neonbeleuchteten Büros, dienen noch immer der Maschine. Ich wünsche mir so sehr, daß viele Menschen einen Weg hinaus finden, ihr Wirken für Struktur, Kontrolle und Funktion durchschauen und beenden.

Und ja: All dies ist verwoben mit existentiellen Fragen und Ängsten, mit Gewohnheiten und Verpflichtungen. Doch wenn die Seele nicht mehr atmen kann, stirbt der Mensch.

Lebendigkeit und Kontrolle, Wachstum und Sicherheit, Empfinden und Funktionieren – zwischen diesen Polen sind wir Menschen verortet. Der eine Pol entspringt unserem Bedürfnis nach Sicherheit – strukturierend, kontrollierend, gleichmachend. Hierfür haben wir die Welt letztlich den Maschinen übergeben. Der andere Pol entspringt unserer Seele – einzigartig, atmend, empfindend, wandelnd. Die Pflanzen gehen in Resonanz mit uns, sprechen Körper (Struktur) und Seele (Energie) gelichermaßen an – mit Lebendigkeit.

Die Pflanzen geben uns Raum und Unterstützung, uns dieser lebenspendenen Qualität zuzuwenden. Die Wälder beschenken uns mit den Klängen des Windes und mit wohltuendem Schatten im grellen Licht der Welt. Die Wiesen und Auen laden uns ein, in die Weite zu schweifen, Grenzen und Strukturen hinter uns zu lassen. Und unsere kostbaren, traditionellen Heilkräuter setzen Impulse in Geist und Körper, die uns helfen, Wege mit Herz zu finden und zu gehen.

Schon oft habe ich Euch auf die besondere Eigenschaft des Sonnenhuts hingewiesen. Sein unvergleichliches Aroma und seine feinstofflichen Frequenzen machen uns wach und klar über die Herzebene, verdeutlichen den Eigenraum, ohne uns zu verschließen. Für mich ist es derzeit selbstverständlich, jedes Glas Wasser, das ich trinke, mit einigen Sprühern seiner Essenz zu aromatisieren.

Im Unterschied zu den Maschinen strukturieren die Pflanzen nicht, sondern sie wachsen in die gegebenen Räume hinein. Und indem sie das auf sehr vielschichtige, mit unendlich vielen anderen Wesen verwobene Art und Weise tun, füllen sie die gegebenen Räume mit Lebendigkeit.

Das genau ist der Gegenpol zu der mechanisierten Welle, die uns gerade überrollt. Statt uns immer noch weiter zu disziplinieren und in die Strukturen zu zwängen, statt immer schneller zu rennen um all die Bedingungen und Regeln zu bewältigen, zeigen die Pflanzen uns, wie wir das Lebendige atmen und sein können, wie wir das Seelische bewahren und damit das Menschsein.

Sieh Dir besonders die krautigen, eher unscheinbaren Pflanzen wie Melisse, Krause Minze, Schafgarbe und Baldrian (Holz- und Wasserelement) an: sie stellen nichts dar, sie sind weich und sanft – und doch tragen sie Düfte und Aromen, die beleben, die Raum geben und zugleich besänftigen. Halte Dich an diese Qualitäten, wenn Du spürst, daß die (An)Spannung unerträglich wird, wenn Dir das Spüren abhanden kommt und Du nicht mehr „abschalten“ kannst.

Und wenn die Schwere Dich erfasst, wenn alles zu viel ist und Du im übertragenen Sinne „kein Licht mehr siehst“ – dann mag das zitronig-herbe Aroma des Ysop und seine erweiternde, übergeordnete Perspektive Dich in andere, freiere Gefilde führen.

Vielleicht haben wir die Möglichkeit, Maschinen-Menschen zu sein. Vielleicht hatte Steiner mit seiner Ankündigung Ahrimans für dieses Zeitalter recht und wir müssen durch eine Entwicklungsphase der reinen Struktur. Für mich als Kräuterfrau, als Seelengefährtin der Pflanzenwesen ist das nicht vorstellbar. Und so werde ich für unsere wandelbare, empfindende, vielgestaltige und unberechenbare Seele einstehen, so lange ich kann.

Evelin Rosenfeld bei der Rosenblütenernte

Evelin hütet den Berg „Aditi“ in Oberfranken. Dort arbeitet sie mit Permakultur und baut – ohne den Einsatz von Maschinen und in reiner Kreislaufwirtschaft – die traditionellen Heilkräuter unserer Heimat an. Aus den Kräutern stellt sie kostbare Kräuteressenzen her, die auf offenem Feuer in großen Kupferdestillen gewonnen werden. Als Kräuteressenzen zum Einnehmen und als Variation für die Anwendung auf der Haut kommt die heilsame Energie dieser vollkommen zusatzfreien, hochwirksamen Pflanzenprodukte auch zu Dir. Vier mal im Jahr gibt es Praxiswochen zu Destillation und zu Permakultur auf Aditi, daneben kleine Wochenendseminare zur Anwendung der Phytotherapeutika im Sinne der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin).
www.wild-natural-spirit.org

Sharing is Caring 🧡
Posted in Heilung Verwendete Schlagwörter: ,
9 Kommentare zu “Von Pflanzen und Maschinen
  1. Birgit Lentz sagt:

    Schon lange sage ich, dass es im Leben nicht um „funktionieren“ gehen kann, weil wir Menschen und keine Maschinen sind. liebe Evelyn, vielen Dank für dieses liebevolle Beleuchten unseres menschlichen, lebendigen Daseins. Ganz viel Liebe Birgit

  2. Elke Steinmair sagt:

    liebe Evelin, hab herzlichen Dank für deine gespürigen Worte.
    mir geht es so, wenn ich arbeitsfrei habe, dann lass ich mir ganz viel Zeit zum Schweifen, Verweilen, Träumen und Spüren. Dann ist es angenehm ruhig in mir, friedlich, kein Tinnitus. Ich genieße das Mensch sein, Zeit haben, ich zu sein.
    Namaste

  3. Gabriele sagt:

    Liebe Evelyn,
    deine Beschreibung ist wundervoll- wie du diese Welten gegenüberstellst und wie es sich daraus herausformt und deutlich wird, was wesenhaft und nährend ist.
    Ich spüre beim Lesen wie sehr du mit
    der Entfaltung dieser Pflanzenwesen in Resonanz bist … und wie deutlich sich das auf die Qualität deiner Hydrolate auswirkt.
    Diese feine wohltuende Wirkung möge sich weiter vermitteln und vielen Menschen dienlich sein.
    Liebevolle, herzerwärmende Grüße
    Gabriele

  4. Liebe Evelin!
    Herzensgrüße und Herzensdank an dich für dein liebevolles Beleuchteten dessen, was uns verbindet.
    Gerade diese Verbundenheit zur Natur (siehe Fotosafari in unserem Garten https://m.youtube.com/watch?v=ow_dDXtxq_o) erdet mich, lässt meine Seele leuchten und heilt meine „Funktunieren-müssen-Wunden.

    Herzensgrüße
    Imke

  5. Nartaki sagt:

    Auch von mir herzige Dankesgrüsse, 🍒
    das Netz von Oasen wird immer grösser.
    Hier im Norden strahlen auch immer mehr Lichtorte auf, die bewahren wollen, anpacken wollen, sich verzaubern lassen können, am Ende eines reichen Tages…
    so nu raus zu den wilden Blaubeeren im Forst

  6. Margitta sagt:

    Was für eine schöne Reise durch „Aditi“ mit Evelin – schon lange bn ich mit Dir virtuell unterwegs in der Freude, daß Du so nah im Land bist – ich lebe in Thüringen in meinem Paradiesgärtlein – auch wie Imke schreibt, mit Demut und Respekt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Dein Kommentar wird nach der Prüfung freigeschaltet. Bitte beachte, Einschätzungen und Meinungen in Ich-Form zu formulieren und die AutorInnen zu wertschätzen. Nicht identifizierbare Namen (Nicknames), Kommentare ohne erkennbaren Bezug auf den Inhalt des Artikels und Links zu nicht eindeutig verifizierbaren Seiten bzw. zur Eigenwerbung werden grundsätzlich nicht freigeschaltet.