Wozu Grippe gut ist

bettina Von Vera Bartholomay Ich höre schon die Proteste…..Grippe soll gut sein? Was ist gut daran, total schlapp und verschnupft zu sein, schlaflose Nächte mit Hustenanfällen zu verbringen, nichts mehr auf die Reihe zu bekommen? Versteh mich nicht falsch. Ich hoffe sehr, dieses Jahr von der Grippewelle verschont zu bleiben. Ich verzichte mehr als gern auf Schnupfen, Husten und einen dicken Kopf. Und dennoch möchte ich allen Betroffenen ein wenig trösten, denn es gibt auch gute Seiten an dieser Krankheit.

Einige Erkenntnisse und wichtige Fragen:

  1. Es ist kein „Versagen“, krank zu werden. Eine Grippe ist eine Grippe und muss nicht als ein Anzeichen gedeutet werden, dass in deinem Leben etwas nicht stimmt. In welchen Leistungsdruck haben wir da uns eigentlich hineinmanövriert, dass wir uns jetzt sogar selbst bei Virenangriffen „schuldig“ und nicht „gut genug“ fühlen?
  2. Du kannst dich ins Bett legen und einfach gar nichts mehr tun. Gerade die besonders aktiven unter uns tun das nicht freiwillig. Da muss schon eine richtige Keule kommen und uns keine Wahl mehr übrig lassen. Und dann: Wie geht es dir, wenn du nichts mehr TUST, sondern nur BIST? Retreat intensiv sozusagen, wenn auch zwangsverordnet.
  3. Der so fremde Schwächezustand ermöglicht einen ganz neuen Blick auf vermeintlich Wichtiges. Was davon ist entscheidend und was ist eigentlich herrlich egal? Was steht auf deiner langen TO-DO-Liste? Ist alles davon wirklich so wichtig?
  4. Du gewinnst eine neue Sensibilität. Die Dünnhäutigkeit verändert deine Sicht auf Vieles.
  5. Was tut dir jetzt wirklich gut? Wie kannst du gut für dich sorgen oder gar sorgen lassen?
  6. Stille. Stille. Stille. Ständig reden wir darüber, wie wichtig Zeiten in der Stille sind. Jetzt kannst du es testen – über Tage.
  7. Bist DU denn wirklich so wichtig für bestimmte Abläufe? Können Termine und Arbeitsaufgaben nicht auch eine Woche warten?
  8. Wie geht es dir, wenn sogar kleine Alltagshandlungen Kraft kosten? Wenn es ein Erfolg ist, sich eine Tasse Tee zu kochen? Bekommst du gar ein größeres Verständnis für Schwerkranke und chronisch Kranke?
  9. Vielleicht spürst du eine große Dankbarkeit für alles, was da ist, alles was geht, alles Gute in deinem Leben?
  10. Es ist eine innere Reinigung – auf der körperlichen Ebene wird viel ausgeschieden und durch Fieber verbrannt. Aber es gibt auch eine emotionale und seelische Komponente: Welchen Müllberg an Sorgen und Gedanken hast du mit dir herumgetragen, der jetzt weggespült werden darf?
  11. Wie willst du eigentlich leben? Stiller? Langsamer? Behutsamer? Aufmerksamer? Dankbarer? Was nimmst du aus der Krankheit mit in den noch etwas wackeligen Alltag?

Gute Genesung wünscht
Vera Bartholomay

Zur Person: Vera Bartholomay ist Therapeutin und Lehrerin für Therapeutic Touch. Ihre Praxis befindet sich in Saarbrücken und sie unterrichtet TT seit vielen Jahren in Deutschland, Norwegen und in der Schweiz. Website hier

 

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2 Kommentare zu “Wozu Grippe gut ist
  1. Claudia sagt:

    Ein wunderbarer Beitrag, denn es ist für die meisten Menschen wirklich kaum möglich, die guten Seiten zu sehen…
    Als Selbständige bin ich immer besonders davon überzeugt gewesen, mir eine Grippe „nicht leisten zu können“. Dann kam sie eines schönen Tages und legte mich flach. Gründlich und eine Woche lang. Es gab erst Riesenwiderstände und dann so ziemlich alles was Vera Bartholomay beschrieben hat. Mein Fazit danach war: ich gehe nochmal anders mit mir, meinem Körper um und achte darauf, das was die Grippe mir „beigebracht hat“, auch ohne ihre Hilfe zu tun. Doch sie war eine gute Lehererin…

  2. Susanne sagt:

    Seit ein paar Tagen liege ich komplett flach…ja, die Grippe hat mich voll erwischt!
    Auch ich kann es mir eigentlich nicht leisten krank zu sein, da ich selbständig bin.
    Doch es bleibt mir im Moment keine Wahl und ich versuche, mich hineinfallen zu lassen.
    Was mich sehr angesprochen hat ist die 1. Erkenntnis, dass es kein Versagen ist, krank zu werden.
    Auch ich habe mich im 1. Moment gefragt, was hab ich falsch gemacht…wieso werde ich so komplett lahmgelegt? Die Ansicht von Vera gefällt mir, nicht immer alles interpretieren zu müssen.
    Manchmal genügt es einfach, nur SEIN zu dürfen – und mehr ist bei einer Grippe eh nicht möglich.
    Danke dafür!

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