Vale der Stille, des Duftes und der Weite

Mein portugiesischer Kraftort liegt in der nördlichsten Algarve in den Bergen. In der Ferne schimmert der raue Atlantik und fast immer weht ein schöner Wind mit einem unverwechselbaren süßlichen Duft über die grünen Hügel. Die Hausbesitzer sagen, dass man dieses Haus, diesen Ort nur mit ganzen Herzen liebt oder es doch zu einsam findet. Ich wusste sofort, dies ist mein Paradies. Und die Korkeichen nicken zustimmend.

Die Häuser in diesem Tal haben vor rund 10 Jahren ein paar Deutsche und Schweizer erstanden, auch um einen Teil dieser wunderbaren Landschaft in seiner Natürlichkeit zu erhalten. Denn die Ökosünde des Eukalyptusanbaus hat Teile des Gebietes in eine Art Mondlandschaft verwandelt. Aber hier findet sich noch die ursprüngliche Flora und Fauna. Die typischen weißen Steinhäuser sind mit roten Ziegeln gedeckt, innen einfach schön gehalten und Dank Solaranlage mit Strom versorgt. Das Wasser ist kostbar und jeder Tropfen auch vom Abwasch wird zum Gießen benutzt. Gut, dass die Komposttoilette (eine Mischung aus Plumpsklo und Urinal) ebenfalls fast ohne Wasserspülung auskommt. Aus einer Quelle rund 150 Meter im Tal können wir sogar Trinkwasser holen. In dieser Natürlichkeit wird Nachhaltigkeit zur normalen Übung. Keine Spuren zu hinterlassen lehren einen spätestens die Ameisen, die jeden Krümmel für eine Invasion nutzen.

Dieses Jahr gibt es reichlich Wasser, weil es sowohl im Februar und auch noch im Mai ungewöhnlich viel geregnet hat. Auch jetzt sind die Temperaturen mit 25 Grad und kühlen Nächten ideal. 2005 hingegen war es gefährlich trocken und ein Feuer fraß sich seinen Weg durch das Tal. Ein Haus brannte ab, aber alle anderen kamen davon. Ruß und Asche an den Korkeichen erzählten letztes Jahr noch von dieser Geschichte. Dieses Jahr hat sich fast alles regeneriert und auch das Haus ist wieder aufgebaut.

 

Hier fällt es leicht im Rhythmus der Natur zu leben. Wenn die Sonne so um sieben Uhr aufgeht, erwachen die Vögel und wir meist auch. Ganz allein wäre es mir wohl auch zu einsam, aber mit meiner Seelenschwester findet sich genau die richtige Mischung aus Stille und Gemeinschaft. Manchmal legt sich morgens Nebel ins Tal, so dass wir Norddeutschen einen Wetterumschwung befürchten. Aber schon wenige Stunden später haben der erste Tee, Wind und Sonne die Schwaden vertrieben. Frühstück mit Galao gibt es auf der Windgeschützten Ostterasse. Den Morgen verbringen wir oft in und um das Haus mit Spaziergängen, Lesen, Schreiben und einfach sein. Dieses Jahr haben wir erstmals das Om-Gym dabei, dass, wie dafür geschaffen, meditativ in der Korkeiche schwingt.

Erst am Nachmittag zieht es uns zum Meer. Schotterpisten mit dem typischen roten Sand lassen wir hinter uns, um zu den wilden Sandstränden des Atlantiks zu kommen. Sie sind tief in die Steilküste geschnitten und einer schöner als der andere. Richtig Schwimmen geht angesichts der Wellen und der Unwägbarkeiten von Ebbe und Flut nicht, doch Springen und Juchzen im Whirlpool des Salzwassers hinterlässt eine perlende Lebendigkeit in allen Zellen. Nach einem Sun-Downer in der Bar und dem Besuch im Supermarkt zieht es uns magisch auf unseren Berg zurück. Die Stunden des finalen Sonnenunterganges auf der Westterasse sind unvergleichlich. Schnell ein leichtes Abendessen gezaubert, den Vino Verde in Rose geöffnet und wir verschmelzen mit dem Sonnenrot. Dieses ist noch nicht erloschen, da zeigen sich die ersten Sterne und seit kurzem auch die Mondsichel. Der Wind schläft jetzt meistens ein und wir sind selig müde. Die Zikaden singen uns in den Schlaf und seit zwei Tagen tönnt nachts eine Eule, heute wollen wir mal nach ihr schauen.

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