Kriegs-Kinder und -Enkel: Weltkriegserbe in uns

Foto: Wiki-Doku

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Von Marija Hardenberg. Der erste und zweite Weltkrieg zählen zu den schwerwiegendsten Ereignissen in der deutschen Geschichte. Doch diese Ereignisse sind lange her und spielen in unserem heutigen Leben keine Rolle mehr – oder etwa doch? Als Beraterin für Psychogenetik und Mentalpsychologie, erlebe ich immer wieder Klienten, auf die lange vergangene Kriegsereignisse und Kriegserfahrungen einen tagesaktuellen Einfluss haben.

Unerklärliche Krisen
Raimund ist zweiundfünfzig Jahre alt, beruflich erfolgreich und glücklich verheirateter Familienvater. Nach einer schwierigen Kindheit ist er stolz darauf, sein Leben in geordnete und gute Bahnen gelenkt zu haben. Trotzdem empfindet er einen dunklen Schatten über seinem Leben, der ihn in unregelmäßigen Abständen in schwere Krisen, in Gefühle von Verzweiflung und Aussichtslosigkeit und in einen tiefen Schmerz stürzt. Diese Zustände sind für ihn unerklärlich. Die Auslöser und die Gründe für seine emotionalen Krisen kann er nicht bewusst festmachen oder erklären. Es „überkommt“ ihn einfach. Schlussendlich entscheidet er sich, meine Beratung aufzusuchen, um durch die Arbeit mit der Psychogenetik und Mental-Psychologie dem Rätsel auf die Spur zu kommen.

In einer ersten Sitzung identifiziere ich mich mit der Identität und den Energiekörpern meines Klienten. Ich gehe in meiner Arbeit davon aus, dass der Mensch neben seinem physischen Körper auch über zwei feinstoffliche, nicht sichtbare Körper verfügt, die ich Mentalkörper und Emotionalkörper nenne. Hier sind Gefühle, Gefühlsketten, Überzeugungen, Glaubenssätze, Ängste, Blockaden und Gedanken aller Art wie auf einer Festplatte abgelegt und gespeichert, wobei nur ein Bruchteil davon für das Bewusstsein des Klienten zugänglich ist. Diese hinterlegten Informationen werden, wenn sie unerlöst bleiben -vergleichbar mit der DNA unserer Gene- über die Generationen weitergegeben. Wir erben also nicht nur unsere Augenfarbe oder bestimmte Begabungen, sondern ebenso negative Überzeugungen, Lebensängste sowie Verhaltensmuster, die uns im Leben womöglich behindern. Dies geschieht unbewusst und ist nicht willentlich beeinflussbar.

Dem Rätsel auf die Spur kommen
Während ich die Informationen in den Energiekörpern des Klienten wahrnehme, verleihe ich ihnen durch Worte Ausdruck. Für diese sehr tiefgreifende Wahrnehmung ist das sogenannte „neutrale Bewusstsein“ für mich als Mentaltherapeutin die entscheidende Grundlage. Es basiert einerseits auf meinem eigenen, vielschichtig entwickelten Bewusstsein, was jegliche persönlichen Bewertungen bei Seite lässt. Zum anderen auf meiner langjährig entwickelten Fähigkeit zur intensiven Wahrnehmung der Energiekörper. Ich stehe bei der Identifikation stellvertretend als Raimund in dessen Identität vor seinem Vater. Dabei kommt Erstaunliches zu Tage:
„Ich stehe vor meinem Vater und von meines Vaters Herzen aus kommt ein ganz stechender, brennender Strahl. Man könnte auch sagen, es ist in ihm etwas weggebrannt worden und ich leide unter dieser Verbrennung. Es ist fast so, als würde ich mir denken, besser ich bewege mich nicht, und besser ich sage nichts, weil dieses Brennen auszuhalten, diesen brennenden Schmerz, tut schon weh genug. Ich bin sehr traurig weil das, was in meinem Vater weggebrannt wurde, ist das Gefühl, dass es am Ende des Lebens doch keine Gerechtigkeit unter den Menschen gibt. Und ich habe von meinem Vater eine tiefe Kriegsdepression übernommen, in der beinhaltet ist, dass es keine Gerechtigkeit -im Großen und im Kleinen- unter den Menschen gibt. Diese Kriegsdepression meines Vaters nimmt mich ganz schön mit und ich bin traurig, dass mein Vater diese Kriegsdepression hat. Und dass er den Glauben an die Gerechtigkeit weggebrannt bekommen hat, durch die Ereignisse des Krieges. Ich frage mich, was meinen Vater und mich verbindet. Und ich bin traurig, dass es die Kriegsdepression ist.“

Es kommt sehr häufig vor, dass eine Identifikation völlig ungeahnte Zusammenhänge ans Tageslicht bringt. Und bemerkenswerterweise können die Klienten diese sofort emotional nachvollziehen, ohne sie vorher im Bewusstsein gehabt zu haben. Viele Klienten sagen beispielsweise, „Ich hätte das nie so ausdrücken können, aber das ist genau das, was ich irgendwie immer gefühlt habe“. Diese Informationen liegen ja sozusagen auch im Energiesystem des Klienten, sie sind also theoretisch immer da. Aber häufig ist die Hilfe der Mental-Psychologischen Untersuchung und Analyse erst der Schlüssel, um wirklich da heran zu kommen und die Zusammenhänge für den Klienten greifbar zu machen.

Identifikationen sind sehr komplex und gehaltvoll, sodass das Beispiel von Raimund nur in Auszügen gezeigt werden kann. In seiner Sitzung ging es mit diesen Informationen weiter:

„Ich bin sehr traurig, dass es so weit gekommen ist, dass mein Vater selbst ungerecht geworden ist mir gegenüber. So über alle Maßen ungerecht. Und ich bin das Opfer seiner Verbrennungen und seiner Kriegsdepression geworden. Ich bin sozusagen seine eigene innere Bestätigung, dass die Ungerechtigkeit, die unter den Menschen existiert, auch vor ihm nicht Halt macht, indem er selbst ungerecht agiert. Und während ich all das verstehe, habe ich trotzdem seine Kriegsdepression in mir. Und deshalb bin ich in mir unwissend darüber, was mir gerecht wird, wie man mir gerecht wird, wie ich mir gerecht werden kann und was es braucht, für ein gerechtes Leben.“

Die „Wurzel des Übels“ erkennen
Durch die psychogenetische Übertragung der Kriegsdepression vom Vater auf den Sohn Raimund, ist dieser in seinem Leben desorientiert und beeinträchtigt. Im Reflektionsgespräch mit mir stellt sich tatsächlich heraus, dass Raimund große Schwierigkeiten hat, sich im Leben klar zu positionieren und mit sich selbst und anderen Menschen adäquat umzugehen, im Sinne von Gerechtigkeit, Selbstglauben und gegenseitigem Vertrauen. Darüber ist er -verständlicherweise- massiv irritiert, denn sein eigenes Leben gibt ihm ja eigentlich keinen Anlass, im Unklaren zu sein. Aber die psychogenetische Wurzel des Übels liegt schließlich auch eine Generation zurück, wie die Identifikation weiter verdeutlicht:

„Wenn man mir die Frage stellt, „Was wird dir gerecht, oder wie kann man dir gerecht werden?“, dann weiß ich es nicht. Ich stehe vor meinem Vater, und ich denke, er konnte nicht anders. Aber ich denke -in dieser Kriegsdepression, die ich von ihm übernommen hab- ich kann auch nicht anders. Und so verliere ich Kräfte des Glaubens, Kräfte des Selbstglaubens – an eine Kriegsdepression, die gar nicht meine ist. Es ist so eine Art Lethargie, eine Art Last, die Antwort zu finden auf die Frage: Was wird mir gerecht? Was und wie kann ich mir gerecht werden? Es ist eine große Last, die ich mit mir trage, den Verlust des Glaubens und des Vertrauens in die Gerechtigkeit unter den Menschen.“

Vom Vater zum Sohn, vom Sohn zum Enkel
Die psychogenetischen Muster machen vor niemandem Halt, das hat Raimund am eigenen Leib erfahren. Doch auch Raimund ist bereits Vater eines Sohnes geworden. Selbst in dieser Verbindung und Beziehung ist die Altlast des Vaters, bzw. Großvaters, noch aktiv am Werke, wie sich herausstellen sollte:

„Und ich habe die große Frage in mir: Wie hätte mein Vater mir gerecht werden können? Oder wann wird generell ein Vater seinem Sohn gerecht? Wann werde ich meinem Sohn gerecht? Das ist eine riesengroße Frage. Und ich fühle, dass ich darüber taumele und dass mich das überfordert.“

Raimund bestätigt, dass er in der Erziehung seines Sohnes häufig unsicher ist. Unsicher, welche Grenzen zu setzen sind, welche Belohnungen angebracht sind, welche Konsequenzen angebracht sind, welcher Umgang der Richtige ist, wie er sich stimmig zu seinem Sohn positionieren soll. Und all dies hat letztendlich seinen Ursprung in den unverarbeiteten und traumatisierenden Erfahrungen seines Vaters aus dem zweiten Weltkrieg, so unwahrscheinlich das zunächst klingen mag. Ich bin selbst immer wieder überrascht, welche tiefen Prozesse und Entwicklungen hinter den Problemen meiner Klienten stehen. Es sind Abläufe und Prägungen, die mit dem Bewusstsein und dem Verstand alleine nicht herzuleiten sind.

Ausweg aus dem psychogenetischen „Schicksal“
Das Beispiel zeigt, wie ungeheuer komplex und verflochten diese belastenden psychogenetischen Übertragungen sich manifestieren und innerhalb der Familie fortsetzen. Insofern war es eine Erlösung für die gesamte Familie, als Raimund durch unsere gemeinsame Arbeit eine endgültige Ablösung aus dieser Historie initiieren konnte. Hierzu wird eine individuelle sogenannte Separation von mir entwickelt. Dies ist ein Text, der dem Klienten hilft, wie in einem Training sein Unterbewusstsein umzuprogrammieren und die belastenden mentalen Strukturen zu löschen. Für meinen Klienten bedeutete dies die Befreiung von seinem Lebensschatten, von seinen unerklärlichen Krisen und seiner generellen zwischenmenschlichen Irritation und Verunsicherung. Und nicht zuletzt war es der Grundstein für eine gesunde, liebevolle, souverän und innig gelebte Beziehung zu seinem eigenen Sohn.

Marija Hardenberg

Marija Hardenberg

Nähere Informationen zur Psychogenetik und Mental-Psychologie, sowie zu diesem und weiteren gezielten Transformationsprozessen, finden Sie unter http://mental-psychologie.com/home.html
Zur Person: Marija Hardenberg ist seit über zwanzig Jahren als Mentalpsychologin und Beraterin für Psychogenetik in eigener Praxis tätig. Daneben ist Sie Buchautorin von „Liebe … spricht Klartext!“, einem beherzten Lebensratgeber, der beschreibt, was wahre Liebe ist und wirkliche Liebe meint (ISBN 978-3-95529-319-2).

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