Spring in den Frühling

Foto: Angelika Mönning

Foto: Angelika Mönning

Von Brigitte Hieronimus. Im Laufe deines Lebens haben sich vielerlei Hemmnisse angesammelt und aufgestaut, die in den wachen Stunden verabschiedet und dem Fluss des Lebens übergegeben werden wollen. Stell dir vor, wie sich das Wasser im Flussbett staut, bevor es über das Geröll hinwegfließt oder sich teilt, um danach seine natürliche Bewegung wieder aufzunehmen. Diese angesammelte Kraft ist es, die dir dabei hilft, über Hindernisse hinwegzukommen.

Befreie deine hemmenden Gedanken, die dem Heute nicht mehr entsprechen. Vielleicht hegst du immer noch den Wunsch, dein Leben auf eine bestimmte Spur zu bringen – um dieser Spur zu folgen. Möglicherweise wohnt in dir auch jene unstillbare Sehnsucht, unvergesslich zu sein, Bedeutung für andere zu haben, unersetzlich für die, die du liebst. Willst deine Wahrheiten nicht länger verbergen und nicht mehr leugnen, dass du sie verschwiegen hast. Nächtliche Empfindungen wie diese können sich wie Frühlingsstürme ankündigen, die notwendig sind, um Untaugliches abzuschütteln.

Frühlingsstürme sind wie ein unberechenbares Aufbrausen
Plötzlich bricht sie über uns herein, diese drohende Gebärde. Aus heiterem Himmel. Sie verwüstet die lieblichsten Gärten und knickt die stolzesten Bäume. Sie hautnah zu erleben erinnert manchmal an die eigene Machtlosigkeit. Womöglich liebst du immer noch jemanden, der dich nicht mehr liebt. Erhältst nicht die Beförderung, für die du so hart gearbeitet hast. Leidest an einer Krankheit, die dir vorübergehend alle Kräfte zu rauben scheint. Keine Macht über eine bestimmte Lebenssituation, über die Gefühle des anderen oder den eigenen Körper zu haben, verursacht ein Gefühl von Hilflosigkeit. Wir fühlen uns ohnmächtig und ausgeliefert. Um das nicht ertragen zu müssen, regen sich oft Trotz und Rebellion. Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem du nicht länger Widerstand leistest und annimmst, was gerade ist. Das gehört zu den Grenzerfahrungen des Menschseins und ist unser ganz persönlicher Schleifstein des Lebens.

Die raue Stimme der Liebe
Deshalb können Stürme im Frühling wie die ungnädige Stimme der Liebe sein: Scharf und unerbittlich fährt es uns unter die Haut und rüttelt an unserem Ego. An einem Ego, das uns immer wieder vorgaukelt, wir hätten niemanden nötig – obwohl unsere Seele leidet. Dieses Ego fürchtet nichts mehr als die Hingabe an die Veränderung des Lebens und kämpft um sein Überleben. Irrtümlicherweise verwechselt es Hingabe mit Selbstaufgabe und wehrt sich aus diesem Grund gegen die starke Gefühlskraft verbindender Liebe. Der Autonomiebegriff wird manchmal ziemlich einseitig ausgelegt und mündet in einem zu eng gefassten Begriff persönlicher Freiheit.

Freiheit bedeutet auch, frei für etwas zu sein
Die meisten Fesseln legen wir uns selbst an, indem wir die Verantwortung und die damit verbundenen Konsequenzen für das eigene Leben und Lieben scheuen, indem wir versuchen, uns einzureden, dass wir etwas nicht schaffen, weil es einfach zu schwer ist, weil die Rahmenbedingungen nicht optimal oder unsere Kindheit nicht so glücklich war … An unseren Schwüren und Überzeugungen von einst darf niemand rütteln. Deshalb solltest du immer mal wieder in dich hineinhorchen (am besten nachts, wenn Ruhe eingekehrt ist), ob das, was du tust und behauptest, tatsächlich deinem eigenen Willen entspricht oder ob du aus einem alten Widerwillen heraus agierst. Schließlich hast du dich nicht aus den Normen und Regeln der Eltern befreit, nur um dir gleichzeitig neue Normen und Regeln aufzubürden, die wiederum nicht die deinen sind. Freiheit bedeutet nicht nur, sich von etwas zu befreien, sondern auch, dem Leben eine eigene Note zu verleihen. Gerne mit scheinbaren Banalitäten: Setzt du dich nach der Arbeit erst mal ins Café, um den Tag gemütlich ausklingen zu lassen, oder putzt du noch hastig den Treppenflur, weil die Nachbarn sonst über dich reden? Mähst du pflichtbewusst den Rasen oder liest du auf der Gartenbank vor den Augen der betriebsamen Nachbarn in aller Ruhe Zeitung? Du hast die Wahl … doch was bedeutet „die freie Wahl zu haben“ wirklich?

Nachtschwärmergedanken: Wo setze ich mir freiwillig Grenzen und fühle mich damit wohl? Wogegen habe ich mich niemals aufgelehnt?

Hieronimus_Cover-Neu-201011Zur Person: Brigitte Hieronimus ist Autorin, Paar-und Biografieberaterin. Als Referentin, Gastdozentin am Frauenseminar Bodensee/Schweiz, und Interviewpartnerin tritt sie im Fernsehen auf und publiziert in der Presse. Sie ist Inhaberin eines Seminarhauses und bietet dort mit ihrem Partner Hermann Galle, Paarberatungen und biografische Coachings an. Bei Buchung eines persönlichen Coachings erhält jeder Klient das Buch „Vom Glück der Schlaflosigkeit“ als Gratisgeschenk dazu (solange der Vorrat reicht). Buchbestellungen bitte an die Autorin richten. Mehr Informationen unter: www.brigitte-hieronimus.de

Sharing is Caring 🧡
Posted in Kolumne Verwendete Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Dein Kommentar wird nach der Prüfung freigeschaltet. Bitte beachte, Einschätzungen und Meinungen in Ich-Form zu formulieren und die AutorInnen zu wertschätzen. Nicht identifizierbare Namen (Nicknames), Kommentare ohne erkennbaren Bezug auf den Inhalt des Artikels und Links zu nicht eindeutig verifizierbaren Seiten bzw. zur Eigenwerbung werden grundsätzlich nicht freigeschaltet.