Die erste essentielle Verbundenheit

Bild von Tawny van Breda pixabay.com

Von Matthias Jackel. Um den fünften Monat im Mutterleib herum hat sich ihr Hörsystem ziemlich entwickelt. Sie beginnen, den konstanten Herzschlag ihrer Mutter zu hören. Und nie wieder im Leben werden sie so verbunden zu irgendetwas oder irgendjemandem sein, wie damals.

Um diese These zu verstehen, visualisieren sie einfach eine weitere Erfahrung im Bauch ihrer Mutter:

Jede Bewegung, die sie ausführten, geschah innerhalb des Raumes einer physischen und fühlbaren Grenze. Wo sie auch hin tasteten gab es etwas zu fühlen. Wenn sie sich streckten, stießen Sie an die Bauchwand. Sie tranken das Fruchtwasser. Jede Erfahrung, die sie durchgemacht haben, wurde in ihrem Gehirn als vollständig körperliche Erfahrung verarbeitet.

Und so blieben sie mit gleichzeitig mit ihrem eigenen Körper eng verbunden.

Dann wurden sie geboren.

Mit dem Durchtrennen der Nabelschnur, mit dem Tag, als sie in diese Welt kamen, haben sie ihre erste, unbewusste und zugleich dramatische Trennung erlebt.

In den ersten Monaten fühlte es sich jedoch immer noch sehr verbunden an, mit ihren Eltern und der Umgebung – wenn alles normal verlief. Die Natur sorgt dafür, dass die Menschen in der Umgebung eines Babys sich kümmern, es lieben und verwöhnen.

Wir behandeln das Baby mit bedingungsloser Liebe, weil wir so intensiv mit seiner „unschuldigen“ Seele verbunden sind. Wenn ein kleines Kind anfängt zu krabbeln, würden wir niemals tönen: „Das kannst du besser machen! Ich habe andere Kinder im Alter von drei oder vier Monaten gesehen und die krabbeln viel schneller als du, Dummkopf! Jetzt setz‘ deinen Hintern in Bewegung!!!“

Außer unter pathologischen Umständen ist ein solches Verhalten nicht vorstellbar.

Doch nach einer Weile, wenn das Ego hinzukommt und wir mehr von den Kindern erwarten, entwickelt sich eine Unvereinbarkeit und wird mit der Zeit immer intensiver. Wir entfernen uns von der Verbundenheit und erwarten Leistung.

An diesem Punkt wird von dem Kind etwas erwartet. Tatsächlich beginnt das Erwarten etwa um den Zeitpunkt, wenn die Babys nach Meinung der Eltern anfangen sollten zu sprechen oder aufrecht zu gehen. „Wann hat der Peter, der Nachbarssohn angefangen zu sprechen?“, fragen wir uns. „Und schau! Marie da drüben! Meine Güte, sie kann schon richtig gehen. Ist bei uns alles in Ordnung?“

So fängt der Vergleich zu Beginn unseres Lebens an.

Dann kommen die Kinder zur Schule. Eine klassische Schule ist eine Einrichtung, die darauf angelegt ist, ein Massenpublikum auf ein sauber angepasstes Verhalten in einer Wirtschaftsgesellschaft vorzubereiten, indem ein Bildungssystem verwendet wird, das im letzten Jahrhundert im Zeitalter der Industrialisierung entwickelt wurde. Es besteht kein Zweifel, dass es anders aussehen würde, wenn wir das Schulsystem heute von Grund auf neugestalten würden.

Weiterführende Gedanken: Der Körper ist die Brücke zum JETZT

Der Text war ein Auszug aus dem ersten Kapitel meines Buches „THE CONNECTION PHENOMENON“. Es geht um die essentielle Erfahrung von (körperlicher) Verbundenheit und wie sehr uns diese als Erwachsene fehlt. Motiviert wurde ich dazu, weil in dieser Woche eine werdende Mutter mit im Raum war, während wir einen imposanten Trommelevent mit rund 100 Teilnehmern durchführten.

Ich bin davon überzeugt, dass diese Prägung im Mutterleib uns eine essentielle Erfahrung an körperlicher Verbundenheit geschenkt hat und wir tief im Inneren unsere aktuelle Lebenserfahrung im unterbewussten Vergleich mit dieser Erfahrung bewerten.

Zu recht.

Denn unglücklicherweise hat sich eine Gesellschaft entwickelt, die körperlichen Kontakt nicht protegiert. Und körperliche Übungen werden weitläufig als Freizeitaktivität gewertet und sind nicht Teil unserer betrieblichen Praxis oder unserer Definition von produktiver Arbeit.

Die höchste Wertschöpfungskette und der höchste gesellschaftliche Impact wird durch Geistesleistung erzielt und obwohl der Kopf die meiste Energie verbraucht ist es der Rest des Körpers, dem unsere Achtsamkeit mehr Energie schenken sollte.

Im Gegensatz zur westlichen Kultur pflegen z.B. Buddhismus, Daoismus oder Zen den Körper als zentralen Bestandteil aller Erfahrung und Entwicklung und sind damit noch heute ganz nah an der natürlichen Empfindung des menschlichen Wesens im frühkindlichen Stadium.

Tai Chi, Qigong, Yoga, Origami, Bonsai, Katas, um nur einige Beispiele zu nennen. Alle alten Kulturen und Meister entwickelten die körperlichen Übungen aus der Erkenntnis, dass auch ihnen das Abschalten des Stromes an Gedanken rein durch Gedankenkontrolle schwer fielen. Diese Techniken verhelfen dem Menschen im Jetzt und im Tun anzukommen und den Geist zu beruhigen. Es ist, wie weitläufig bekannt, das Jetzt, in dem wir aktiv wirken können. Kein Hadern mit der Vergangenheit und keine Sorge um eine Zukunft bringen uns in einer Situation einen einzigen Schritt weiter. Unser Handeln geschieht im Jetzt und entsprechend wichtig ist es, mit der eigenen Aufmerksamkeit und Achtsamkeit im Jetzt anzukommen.

In unserer interaktiven Events sind die Teilnehmer aktiv und mit dem Körper involviert und wir beobachten regelmäßig den positiven Effekt auf die Gemeinschaft. Vor allem die Trommeln habe hier eine ganz beachtliche Wirkung, weil selbst der stille Beobachter sich dem physischen Erlebnis nicht körperlich entziehen kann, wenn mehrere hundert Trommeln im gleichen Takt gespielt werden und die Luft bewegung. Läge man eine Hand an eine Betonmauer, so fühlte man diese zittern.

Im täglichen Miteinander bedarf es nicht immer der Trommeln. Es bedarf nur einer Offenheit für die Erkenntnis, dass alles, was wir körperlich und in der Gemeinschaft tun, uns automatisch verbindet und so in einen präsenten und zugewendeten Geisteszustand versetzt.

Eine Liste der Möglichkeiten der Integration im Büro-Alltag

Der Spaziergang beim Gespräch („Walk the talk“, beispielhaft von Steve Jobs vorgelebt) ist dabei die in der Arbeitswelt wohl noch am ehesten akzeptierte Praxis.

Doch wie fühlen sich diese „progressiven“ Ideen an?

  • Den Büromorgen mit den Qigong „Acht Brokaten“ beginnen.
  • Im Unternehmen „Free Hugs“ verteilen.
  • Vor der Kundenpräsentation mit den Kollegen einen Summkreis praktizieren.
  • Im Unternehmen regelmäßige multimodale Körperübungen wie z.B. Life Kinetik(r) etablieren
  • Meetings z.B. mit einer Drum Cafe(r) „KnieLaOla“-Übung beginnen
  • Aus dem Mittagessen eine aktive Achtsamkeitsübung machen

Jetzt ist der Moment der zählt. Und der Körper ist die Brücke zum Jetzt.

Hintergrund:
Matthias Jackel ist Musiker, Keynote-Speaker, Geschäftsführer von Drum Cafe interaktive Events und andante communications GmbH, Personalentwicklung mit Musik. Sein Buch „THE CONNECTION PHENOMENON“ entstand aus der Fülle der Erkenntnisse, welche die  bewegende Verbindung beschreibt, wie sie zwischen den Menschen bei Drum Cafe entsteht. Hier bestellen.

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